Die 10 wichtigsten Opern des 20. Jahrhunderts
von Ruth Renée Reif
20. Februar 2022
Die Oper, ein Kind westlicher Kultur des 17. Jahrhunderts, entfaltete sich im 18. und 19. Jahrhundert zu voller Blüte. Monumentale Werke bescherten ihr im 20. Jahrhundert Reife und Bedeutsamkeit.
Die Auswahl ist streitbar. Gar manches hätte in den Kanon Aufnahme finden können: Elektra von Richard Strauss, Die Dreigroschenoper von Kurt Weill, Lulu von Alban Berg, Jeanne d’Arc au bûcher von Arthur Honegger, Die Teufel von Loudun von Krzysztof Penderecki, Le Grand Macabre von György Ligeti, Das Mädchen mit den Schwefelhölzern von Helmut Lachenmann. Auch an Dmitri Schostakowitsch, Siegfried Matthus und Benjamin Britten wäre zu denken. Aber welches Werk hätte weichen sollen?
So sind es die folgenden zehn geworden, wobei die Reihenfolge keine Wertung abgibt, sondern der Chronologie ihrer Uraufführungen folgt.
Pelléas et Mélisande von Claude Debussy (1863–1945) nach dem gleichnamigen Drama von Maurice Maeterlinck
Claude Debussy lernte das Drama Pelléas et Mélisande 1892 kennen und ersuchte Maurice Maeterlinck sofort um Erlaubnis, es zu veropern. Er vertonte das symbolisch verschlungene Drama in fließendem Gleichmaß. Der Sprechgesang bewegt sich in einer endlosen Melodie dahin. „Vergessen Sie bitte, dass Sie Sänger sind!“, forderte er die Darsteller auf, als er ihnen die Oper am Klavier vorspielte.
Dietrich Fischer-Dieskau zitiert in seiner Debussy-Biografie aus einem Interview, das Debussy anlässlich der Uraufführung gab. Er habe sich für die Musik eine Freiheit gewünscht, erklärte Debussy darin. „Das Drama Pelléas, das trotz seiner traumhaften Atmosphäre mehr Menschlichkeit enthält als manches sogenannte ‚lebensnahe‘ Dokument, schien meinen Absichten wunderbar zu entsprechen. Es hat eine geheimnisvolle beschwörende Sprache, deren Sensibilität von der Musik und ihrem orchestralen Gewand übernommen werden konnte.“
Die Uraufführung am 30. April 1902 an der Opéra Comique in Paris war allerdings nicht erfolgreich. Das Publikum langweilte sich. Im dritten Akt deckten Lacher, Rufe und Schreie den Orchesterklang zu, und es kam sogar zu Tätlichkeiten. Aber wie Fischer-Dieskau vermerkt, gab es, als sich der Schlussvorhang unter Pfiffen und allgemeinem Lärm senkte, auch Hörer im Saal, die ahnten, dass sie an „einem denkwürdigen Ereignis“ teilgenommen hatten. „Sie spürten, in der Sparsamkeit des Ausdrucks, in dem eigentümlich erregenden Rezitativ, in den selten gesetzten leidenschaftlichen Akzenten eine neue musikalische Intensität.“
Porgy and Bess von George Gershwin (1898–1937) sowie Edwin DuBose Heyward und Dorothy Heyward nach DuBose Heywards Novelle Porgy und Ira Gershwins Songtexten
George Gershwin hatte bereits eine Reihe überaus erfolgreicher Broadway-Musicals geschrieben und mit seinen Kompositionen die Konzertsäle erobert, als er auch als Opernkomponist den Gipfel des Erfolgs bestieg. In dem Roman Porgy fand er das Sujet für die große amerikanische Gegenwartsoper. 22 Monate komponierte er an dem Werk und schuf Lieder wie Summertime, It ain’t necessarely so und O I got plenty o’nuttin«.
Eine Probeaufführung am 30. September 1935 in Boston erzielte großen Erfolg. Die Uraufführung am 10. Oktober 1935 durch die Theater Guild im New Yorker Alvin-Theater war ebenfalls ein Erfolg, und die Oper blieb 16 Wochen lang auf dem Spielplan. Ihren Weltruhm erlangte sie allerdings erst nach Gershwins Tod, als mehrere amerikanische Bühnen sie nachspielten.
In Europa erfolgten noch während des Zweiten Weltkrieges die ersten Aufführungen. Und die 1952 begonnene Welttournee der der Everyman Opera Company mit Warfield und Leontyne Price in den Titelrollen sicherte den Erfolg. 1959 kam der Film von Otto Preminger mit Sidney Poitier, Dorothy Dandridge und Sammy Davies junior heraus und erreichte Millionen von Kinobesuchern.
Moses und Aron von Arnold Schönberg (1874–1951) nach dem Zweiten Buch Mose
Arnold Schönberg verfasste den Text zu seiner Oper Moses und Aron bereits im Oktober 1928. Angesichts des zunehmenden Antisemitismus« in Österreich wandte er sich religiösen Themen zu und stützte sich auf die Kapitel drei, vier und 32 aus dem Zweiten Buch Mose. In der Oper verkörpern die beiden Brüder Moses und Aron das dialektische Paar von Geistigkeit und Erdgebundenheit. So besetzt Schönberg den denkenden Menschen Moses mit einem Sprecher.
Die Komposition, die auf einer Zwölftonreihe basiert, begann er 1930 in Berlin und schloss sie 1932 in Barcelona ab. Vom dritten Akt skizzierte er jedoch nur einige Takte und ließ die Oper auch in den folgenden 19 Jahren seines Lebens unvollendet. So gab es zu Schönbergs Lebzeiten keine Aufführung. Lediglich den Tanz um das Goldene Kalb aus dem zweiten Akt führte Hermann Scherchen im Rahmen der Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik 1951 kurz vor Schönbergs Tod konzertant auf.
Erst 1954 kam es unter Hans Rosbaud zu einer ersten konzertanten Aufführung des Gesamtwerks, wobei Schönberg noch vor seinem Tod zugestimmt hatte, dass der dritte Akt gesprochen werden könne. Die szenische Uraufführung, die ebenfalls Rosbaud leitete, erfolgte am 6. Juni 1975 in Zürich im Rahmen des Weltmusikfestes der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik. Der unvollendete dritte Akt wurde weggelassen. Dieses Fragment forderte die Regisseure der weiteren Inszenierungen zu zahlreichen Experimenten heraus.
Die Soldaten von Bernd Alois Zimmermann (1918–1970) nach dem gleichnamigen Drama von Reinhold Michael Lenz
Bernd Alois Zimmermann schrieb die Oper Die Soldaten im Auftrag der Stadt Köln von 1958 bis 1960. Während eines Aufenthalts in Rom überarbeitete er sie anschließend. Was ihn an dem Drama des Sturm-und-Drang-Dichters Lenz anzog, war, dass alle Personen „unentrinnbar in eine Zwangssituation geraten, unschuldig mehr als schuldig, die zu Vergewaltigung, Mord und Selbstmord und letzten Endes in die Vernichtung des Bestehenden führt“.
Der Ort der Handlung ist Flandern, die Zeit „gestern, heute und morgen“. Erzählt wird von Marie, die durch einen französischen Offizier in Verruf kommt und in der Folge immer mehr ins Elend gerät, bis ihr eigener Vater sie nicht mehr erkennt. Zimmermann zeigt, wie Marie von allen Personen des Stückes brutal vergewaltigt wird. Er verarbeitet zahlreiche Bühnenkünste vom Ballett über die Pantomime bis zum Film und verwendet Sprechgesang und Geräuschkulissen. Neben einem 120-köpfigen Orchester mit Harfe, Celesta, Gitarre und Orgel schreibt er auch noch eine Jazz-Combo und Tonbandmontagen vor. Für die Bühne sieht er Collagetechnik, Simultanbühne und „Zeitspirale“ vor.
1963 wurden drei Szenen aus der Oper vom Westdeutschen Rundfunk gespielt. Am 15. Februar 1965 erfolgte an den Städtischen Bühnen Köln die mit Michael Gielen am Pult Uraufführung. Dieser nannte das Ereignis ein „Husarenstück“, weil aufgrund der verschiedenen Zeitschichten sieben Dirigenten nötig gewesen wären. Fünf Jahre darauf nahm Zimmermann sich das Leben. Eine weitere Oper Medea nach dem Theaterstück von Hans Henny Jahnn blieb Fragment. So ist Die Soldaten die einzige Oper, die Zimmermann hinterließ.
Die Bassariden von Hans Werner Henze (1926–2012) sowie Wystan Hugh Auden und Chester Kallman nach dem Drama Die Bakchen des Euripides
Hans Werner Henze sagte sofort zu, als Wystan Hugh Auden und Chester Kallman ihm den Vorschlag unterbreiteten, die Bakchen als Sujet für eine Oper zu verwenden. Er zeigte sich begeistert „von der Macht der szenischen Situationen, die das Werk bot“. Auden und Kallman folgten weitgehend der Vorlage des Euripides. Doch reicherten sie den Stoff durch Anklänge an Nietzsche und Wagner sowie christliche und psychologische Motive an.
Im Zentrum der Handlung steht der Gott Dionysos, der auf die Erde kommt, um sich an dem Herrscherhaus, das seinen Kult verachtet, zu rächen. Henze ordnet den beiden Gegenspielern Pentheus und Dionysos jeweils eine Zwölftonreihe zu, wobei die beiden musikalischen Bereiche durch zahlreiche strukturelle Bezüge ineinandergreifen, bis der dionysische Bereich die Oberhand gewinnt. „Ich habe versucht“, erläutert Henze, „in meiner Partitur darzustellen, wie das Tonmaterial des Gottes Dionysos langsam, lockend listig und am Ende dann auch äußerst gewalttätig die mönchisch-keusche Klangwelt des Pentheus vernichtet – sie zunächst unterhöhlt, dann unterminiert und schließlich buchstäblich in die Luft jagt.“
Die Uraufführung am 6. August 1966 unter der Regie von Gustav Rudolf Sellner und mit Christoph von Dohnányi am Pult im Rahmen der Salzburger Festspiele war kein großer Erfolg. Die deutsche Erstaufführung, die ebenfalls unter der Regie von Sellner stand, fand noch im gleichen Jahr an der Deutschen Oper Berlin statt. 23 Jahre später setzte der Intendant Götz Friedrich das Werk erneut auf den Spielplan und verhalf ihm nach Meinung der Kritik mit seiner Inszenierung zu einer Wiederentdeckung.
Friedrich inszenierte das Werk als moderne Parabel. „Immer schreibt die Geschichte mit, wenn ein Schriftsteller oder Komponist oder mehrere Autoren ein Werk konzipierten“, erklärte Friedrich. „Und oft schrieb die Geschichte weiter, eröffnete Aspekte und Dimensionen, die in den Werken ursprünglich nur im Ansatz oder gar nicht enthalten waren.“ In dieses Werk schrieb sich die Geschichte in besonderer Weise ein. Denn mitten in die Probenarbeit fiel der 9. November 1989.
Einstein on the Beach von Philip Glass (1937)
Philip Glass komponierte Einstein on the Beach in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Robert Wilson. Dieser schlug in Anspielung auf Nevil Shutes Roman On the Beach über einen postnuklearen Weltuntergang auch den Titel vor. Inspiriert von John Cage, stand Glass ein offenes Werk vor Augen. So fügte er in loser Reihenfolge Handlungen und Bilder aneinander, in denen Albert Einstein die Zunge herausstreckt, die zur Terroristin gewordene Verlegertochter Patricia Hearst auftritt, ein Raumschiff zu sehen ist, Frauen, auf einem Glastisch liegend und von unten beleuchtet, tanzen, Einstein Gleichungen schreibt und Raumfahrer ein Raumschiff besteigen. Als der Vorhang fällt, liest man darauf die Formel „E= mc2“.
Additive und zyklische Prozesse bestimmen die Musik und schaffen komplexe rhythmische und harmonische Strukturen. Das von Glass vorgesehene Instrumentarium besteht aus zwei elektronischen Orgeln, Flöte, Saxofon und Klarinette sowie einem Solo-Geiger, der den Hobby-Geiger Einstein mimt.
Die Uraufführung erfolgte am 25. Juli 1976 mit dem 1966 von Glass ins Leben gerufenen Philip Glass Ensemble unter der Leitung von Michael Riesman auf dem Festival von Avignon in Frankeich und dauerte rund fünf Stunden. Den großen Erfolg brachte am 21. November 1978 die Metropolitan Opera in New York mit ihrer Inszenierung. 1985 kam der Dokumentarfilm Einstein on the Beach: The Changing Image of Opera heraus. Auf der Grundlage der Wiederaufnahme der Oper an der Brooklyn Academy of Music (BAM) zeigt er den Schaffensprozess des Werks.
Saint François d’Assise von Olivier Messiaen (1908–1992)
Olivier Messiaen arbeitete acht Jahre lang an seiner Oper Saint François d’Assise. Rolf Liebermann hatte ihm im Beisein des französischen Staatspräsidenten Georges Pompidou den Auftrag erteilt, sodass Messiaen nicht ablehnen konnte. Er schuf eine 2000 Seiten umfassende Partitur von viereinhalb Stunden Aufführungsdauer. Das Libretto schrieb Messiaen auf der Grundlage der Bibel und zwei anonymen franziskanischen Codices aus dem 14. Jahrhundert.
Sein Ziel war es: „Die fortschreitenden Stadien der Gnade in der Seele des heiligen Franziskus zu schildern. Alles, was keine Farben, keine Wunder, keine Vögel, keine Frömmigkeit und keinen Glauben enthielt, habe ich ausgespart.“ Die Oper beginnt mit einer Szene der „vollkommenen Freude“. Diese ist der Ausgangspunkt von Franziskus« spiritueller Reise. „Am Anfang ist er einfach Franziskus. Dann wird er nach und nach zum Heiligen Franziskus und sogar zum Superheiligen Franziskus.“
Bei der Uraufführung am 28. November 1983 im Théâtre National de l‘Opéra de Paris assistierte Kent Nagano. Er erinnerte sich später an die Ängste Messiaens: „Ich habe gelebt, um Saint François zu schreiben, und ich fühle, dass ich nichts mehr komponieren werde“, habe er geklagt. Am Ende jedoch stand: „Triumph!!! Volles Haus!!!!!!… Das gesamte Publikum stand auf und applaudierte zwanzig Minuten lang!!! Gigantischer Erfolg!!!!!“ Aufgrund des ungeheuren Aufwands an Instrumentalisten und Sängern sowie der Länge des Werks kamen in der Folge dennoch nur konzertante Aufführungen einzelner Szenen zustande. Vollständig konzertant wurde die Oper 1988 an der Opéra Lyon unter der musikalischen Leitung von Kent Nagano aufgeführt. Und Nagano stand auch am Pult der großartigen Inszenierung von Hermann Nitsch mit Paul Gay in der Titelrolle 2011 an der Bayerischen Staatsoper.
Nixon in China von John Adams (1947)
John Adams komponierte Nixon in China auf Anregung des Regisseurs Peter Sellars. Elf Jahre nach dem Besuch Richard Nixons in China 1972, der den ersten Staatsbesuch eines amerikanischen Präsidenten in der Volksrepublik China darstellte, unterbreitete Sellars seinen Vorschlag, eine Oper darüber zu schreiben. Adams bestand auf einem literarischen Libretto. Und so wurde die Dichterin Alice Goodman hinzugezogen.
Gemeinsam rekonstruierten sie den Ablauf der sieben historischen Tage vom 21. bis zum 27. Februar 1972, fassten ihn, verteilt auf die drei Akte der Oper, zusammen und wiesen den Personen Stimmlagen zu. Mrs. Nixon sollte ein lyrischer Sopran sein, die Frau Maos ein Koloratursopran. Mao selbst wurde ein Tenor und Nixon ein Bariton. Auch diskutierten sie die Atmosphäre der einzelnen Szenen.
Zwei Jahre arbeitete Adams an der Partitur. Seine Musik ist eingängig, aber voller Überraschender Wendungen. In den ersten 30 Takten lässt Adams die Geiger, Bratscher und Keyboarder im Orchester gleichbleibend aufsteigende Tonleitern spielen, die er 159 Takte lang immer um eine Oktave erhöht. Dazu fügen Holzbläser langsame Tonleitern hinzu. Die Bassisten treten hinzu sowie die Posaunisten, und alles wird akzentuiert von einem hohen „Kling!“
Die Uraufführung erfolgte am 22. Oktober 1987 an der Houston Grand Opera unter der Regie von Peter Sellars und mit Edo de Waard als musikalischem Leiter. Als Nixon und Mao standen James Maddalena und John Duykers auf der Bühne.
Das Schloss von Aribert Reimann (1936) nach dem gleichnamigen Roman von Franz Kafka und dessen Dramatisierung von Max Brod
Aribert Reimann war bereits während der Schulzeit auf Kafkas Roman Das Schloss aufmerksam geworden. Doch erst für seine sechste Oper griff er den Stoff auf. „Mit einem Mal fühlte ich, dass dieser Stoff uns heute in besonderer Weise angeht“, beschrieb er im Gespräch seine Motivation. „Die Figur des K., der als Fremder in eine Gemeinschaft kommt und nichts weiter will, als aufgenommen und anerkannt zu werden und diese Gemeinschaft, die sich weigert, einen Fremden unter sich zu dulden und alles unternimmt, um ihm zu schaden – das sind Aspekte des Werks, die wir in der Asylantenproblematik jeden Tag erleben.“ Zugleich seien es die grundsätzlichen menschlichen Fragestellungen gewesen, die ihn an Kafkas Roman fesselten.
Im Sommer 1989 begann er mit der Erstellung des Textes. Musikalisch sieht er das Werk als Synthese von vielem, was er bisher komponierte. Die Oper beginnt mit einer aufsteigenden Folge von 15 Tönen, die in Veränderungen immer wiederkehren und „die absolute Unerreichbarkeit des Schlosses“ symbolisieren. Und sie endet ebenso: Die gleiche aufsteigende Tonreihe in den Streichern, die zurückführen in die Stille. K. kam aus dem unendlichen Nichts und kehrt dahin zurück, ohne die Bedeutung des Schlosses enträtselt zu haben und ohne in sein Inneres gelangt zu sein. Die Uraufführung am 2. September 1992 an der Deutschen Oper Berlin im Rahmen der 42. Berliner Festwochen fand unter der musikalischen Leitung von Michael Boder statt. Regie führte Willy Decker mit Wolfgang Schöne als K. Anschließend wurde das Werk mehrfach nachgespielt.
Licht von Karlheinz Stockhausen (1928–2007)
Karlheinz Stockhausen hatte sich jahrelang als Gegner der Oper gezeigt. Auf der Holzterrasse eines Tempels in der japanischen Stadt Kyoto aber überkam ihn die Idee einer Opern-Heptalogie. Aus einer einzigen komplexen „Formel“ sollte diese entstehen. 25 Jahre lang arbeitete er an dem autobiografischen Projekt: Gesang, Instrumentalmusik, Tonbandklänge, Tanz und Bewegung, Wort und Bild – alle Bühnenkünste sollten sich zu einer Einheit zusammenfügen.
Jede Oper des Zyklus ordnet Stockhausen einem Wochentag zu. Die sieben Wochentage stehen für die Periodisierung der Zeit durch den Menschen und symbolisieren das menschliche Leben. Den einzelnen Wochentagen schreibt Stockhausen Planeten, Farben, Charaktereigenschaften, Sinn und mythologische Elemente zu. Der Titel Licht verweist auf Göttliches, das er aus allen möglichen Mythen und Religionen schöpft und durch die Figuren Eva, Luzifer und Michael verkörpern lässt.
Die Uraufführung von Donnerstag über Stockhausens Verlust seiner Eltern und seine Erfüllung in der Musik erfolgte am 15. März 1981 an der Mailänder Scala. Auch Samstag über Luzifer und Montag über die Entstehung der Menschheit wurden 1984 und 1988 an der Mailänder Scala uraufgeführt. Die Opern Dienstag über den Kampf der himmlischen Trompeten gegen die Posaunen Luzifers und Freitag über die Vereinigung von Eva mit Kaino kamen 1993 und 1996 an der Semperoper in Leipzig zur Uraufführung. Die Uraufführungen von Sonntag, dem Tag des weißen Lichts, und Mittwoch als „Tag der Vereinigung, der Zusammenarbeit und des Verständnisses“ 2001 in Köln und 2012 in Birmingham schlagen bereits den Bogen ins 21. Jahrhundert.