Götz Friedrich

Ein Bewusst­sein von Wahr­heit – zum 20. Todestag von Götz Fried­rich

von Ruth Renée Reif

11. Dezember 2020

Götz Friedrich war ein begnadeter Regisseur und ein leidenschaftlicher Streiter für die Oper. Unerschütterlich waren seine Liebe und sein Glaube der Kunstform gegenüber. Am 12. Dezember 2020 jährt sich sein Todestag zum 20. Mal.

Musik­theater war für Götz Fried­rich „das Faszi­nie­rendste, was es inner­halb der darstel­lenden Künste gibt“. Als „Szeni­sches Musi­zieren“ verstand er seine Tätig­keit: „Ich bestehe darauf, ein Musiker zu sein, wie ich darauf bestehe, ein Thea­ter­mann zu sein“, betonte er im Gespräch. Sein Bestreben war es, Oper so zu spielen, dass sie uns nicht von der Wirk­lich­keit wegführe, sondern „zu einem beson­deren Bewusst­sein von Wahr­heit verhilft“.

Wagners Ring im Zeit­tunnel: Einblick in Götz Fried­richs Insze­nie­rung der Tetra­logie 1984 an der Deut­schen Oper . Weitere Kurz­vi­deos zu Götz Fried­richs Regie­ar­beiten an der Deut­schen Oper Berlin gibt es unter: www​.deut​sche​oper​berlin​.de 

Zu den heraus­ra­genden Arbeiten gehörte seine Ring-Insze­nie­rung an der Deut­schen Oper Berlin aus dem Jahr 1984. In einem von Peter Sykora entwor­fenen „Zeit­tunnel“ brachte er seine dritte Ausein­an­der­set­zung mit Wagners Tetra­logie, die in der Götter­däm­me­rung ihren Höhe­punkt fand, auf die Bühne. „Anfang ist Ende, und Ende ist immer wieder nur Anfang.“ – Einein­halb Minuten lang saßen die in Leichen­tü­cher gehüllten Götter auf der Bühne, ehe das Es einsetzte. Was Götz Fried­richs Regie­ar­beiten auszeich­nete, war eine inten­sive Durch­drin­gung von Partitur und Libretto. Alle Wendungen, Brüche und Details insze­nierte er aus und erweckte sie mit darstel­le­ri­schen Einfällen zum Leben.

Karan Armstrong in dem Opernfilm Erwartung
Götz Fried­richs Muse und Ehefrau, die Sängerin Karan Armstrong im Opern­film Erwar­tung
(Foto: © Sveriges Tele­vi­sion / )

1975 entdeckte er zudem das Medium Film „als künst­le­ri­sche Möglich­keit und Atmo­sphäre“. Mit Teresa Stratas in der Titel­rolle und Astrid Varnay als Hero­dias insze­nierte er « Einakter Salome. 1982 folgte für die ARD der Opern­film Elektra mit Astrid Varnay als Klytäm­nestra, Leonie Rysanek als Elektra und Diet­rich-Fischer-Dieskau als Orest. , der die musi­ka­li­sche Einspie­lung leitete, starb während der Dreh­ar­beiten, die in einer alten Loko­motiv-Fabrik in statt­fanden. 1989 insze­nierte Götz Fried­rich für das Schwe­di­sche Fern­sehen mit Karan Armstrong den Opern­film Erwar­tung von .

Götz Friedrich und Walter Felsenstein
„Walter Felsen­steins Musik­theater konnte ebenso poetisch wie skurril sein, so magisch wie absurd.“ – Götz Fried­rich und Walter Felsen­stein 1958

Götz Fried­rich wurde 1930 in Naum­burg an der Saale geboren. Nach seinem Studium am Deut­schen Thea­ter­in­stitut in wirkte er 20 Jahre lang als Schüler und engster Mitar­beiter von Walter Felsen­stein an der Komi­schen Oper Berlin. Felsen­stein, der 1975 starb, brannte, wie Götz Fried­rich in einem Nachruf schrieb, „Realität in die Menschen“. Mit seinen Insze­nie­rungen habe er „ Modelle für ein Musik­theater neuen Stils“ geschaffen. Götz Fried­rich leitete aus Felsen­steins Arbeit die Erkenntnis ab, „dass sich jede Gesell­schaft ihrer histo­risch-humanen Verpflich­tung begibt, die nicht versucht, ein in der Zeit wirkendes Musik­theater zu erhalten oder zu schaffen“.

Tannhäuser, Bayreuther Festspiele
Szenen­foto aus dem Zweiten Akt von Götz Fried­richs skan­dal­um­wo­bener Tann­häuser-Insze­nie­rung bei den Bayreu­ther Fest­spielen
(Foto: © Sieg­fried Laut­er­wasser / Fest­spiel­lei­tung )

Während dieser Zeit insze­nierte Götz Fried­rich mehr­fach an west­li­chen Opern­häu­sern wie etwa in , und . Auch Günther Rennert lud ihn wieder­holt an die nach , was die DDR-Behörden jedoch torpe­dierten. 1972 gab Götz Fried­rich sein Debüt bei den Bayreu­ther Fest­spielen. Mit Ulrich Leins­dorf setzte er Wagners Tann­häuser in Szene und löste einen Skandal aus. Mari­anne Reiß­inger beschreibt in ihrer Fried­rich-Biografie den „bekannten Wahn­sinn“. Aller­dings verweist sie dabei auch auf John Neumeiers Choreo­grafie des Venus­berg-Bacchanals.

Aus einem Totenhaus
Rück­kehr nach Berlin mit Leoš Janá­čeks nach­ge­las­sener Dosto­jewski-Verto­nung Aus einem Toten­haus
(Foto: © Kranich­photo, Berlin)

Im selben Jahr verließ Götz Fried­rich die DDR. August Ever­ding enga­gierte ihn als Chef­re­gis­seur an die Hambur­gi­sche Staats­oper. Diese Posi­tion nahm er von 1977 bis 1981 auch am in London ein. 1981 kehrte er nach Berlin zurück – diesmal in den west­li­chen Teil der geteilten Stadt und wurde Gene­ral­inten­dant an der Deut­schen Oper Berlin. Zur Eröff­nung insze­nierte er Leoš Janá­čeks nach­ge­las­sene Dosto­jewski-Verto­nung Aus einem Toten­haus. Götz Fried­rich zeigte in diesem düsteren Werk, „was nicht austauschbar ist in den Gefäng­nissen und Folter­kam­mern in aller Welt und zu allen Zeiten: die bohrende Frage nach dem Warum und die trotz allem nicht zerstör­bare Sehn­sucht nach Frei­heit“. Der Bühnen­bildner Josef Swoboda schuf ein Bahn­gleis, das sich aus dem rück­wär­tigen Bereich der Bühne bis zur Rampe erstreckte.

Gian-Carlo Menotti: Amahl und die nächtlichen Besucher
Vermächtnis an die Opern­be­su­cher von morgen: Götz Fried­richs Abschieds-Insze­nie­rung von Gian-Carlo Menottis Amahl und die nächt­li­chen Besu­cher an der Deut­schen Oper Berlin im Jahr 2000
(Foto: © Kranich­photo, Berlin)

Dieses Gleis kehrte wieder in Götz Fried­richs Abschieds-Insze­nie­rung als Inten­dant am 8. Dezember 2000. Gott­fried Pilz hatte es für Gian-Carlo Menottis Weih­nachts­oper Amahl und die nächt­li­chen Besu­cher entworfen – ein Kreis hatte sich geschlossen, um einen Lieb­lings­aus­druck von Götz Fried­rich zu zitieren. Es wurde ein Abschied für immer. Vier Tage darauf starb Götz Fried­rich im Alter von 70 Jahren. Die Insze­nie­rung verstand er als sein „künst­le­ri­sches Testa­ment“ und „Vermächtnis an die Opern­be­su­cher von morgen“.

„Das Leid seiner letzten Lebens­jahre“, so der Kompo­nist Sieg­fried Matthus anläss­lich der Trau­er­feier im Gedenken an Götz Fried­rich, „war die immer größer werdende Gleich­gül­tig­keit gegen­über seiner geliebten Oper. Er hat gelitten an dem unsäg­li­chen Gefeil­sche um die staat­li­chen Zuwen­dungen für die Opern­häuser. Menschen, denen in der Mehr­zahl die Oper nichts bedeutet, die nur einen geld­ver­schlin­genden Moloch darin sehen, haben ihm das Leben schwer gemacht. Er hat es nicht verwunden, dass seine Oper nicht mehr geliebt wurde.“

Fotos: Kranichphoto, Berlin