KlassikWoche 04/2021

Nazi-Kunst in Leipzig? Der IQ von Sängern und der Kampf gegen Brexit

von Axel Brüggemann

25. Januar 2021

Die Nazi-Wagner-Kunst in Leipzig, die Folgen des Brexit für die Kultur, die Zukunftspläne der Bayreuther Festspiele

Will­kommen in der neuen Klas­sik­Woche,

Werden Sänger zu „hirn­losen Mario­netten“, was will mit Nazi-Wagner-Kunst und welche Folgen hat der Brexit? Es war viel los – packen wir’s an!

NAZI-KUNST IN LEIPZIG

Das von den Nazis geplante Wagner-Monument in Leipzig

Man weiß nicht genau, was man davon halten soll: Die Stadt Leipzig und der Richard-Wagner-Verband wollen ein von den Nazis geplantes Wagner-Monu­ment nach Leipzig holen: eine Anlage aus 20 stei­nernen Reliefs, so groß wie ein Fußball­feld. Zwei Reliefs wurden nun nach Leipzig gebracht. Und man beteuert, dass alles in histo­ri­schen Kontext gesetzt werden soll: „Das Walküre-Relief soll aber lang­fristig gesehen – so wünschen es zumin­dest die Mitglieder des Leip­ziger Wagner-Verbandes – dort aufge­stellt werden, wo es einmal vorge­sehen war: auf dem Gelände des nicht verwirk­lichten Denk­mals. In zwei Jahren plant man im Stadt­ge­schicht­li­chen Museum Leipzig eine Ausstel­lung zum Thema ‚Musik­stadt Leipzig in der NS-Zeit‘. Dabei sollen dann die beiden Stein­re­liefs in ihrem histo­ri­schen Kontext ausführ­lich beleuchtet werden.

KULTUR­RADIO UND RUNFUNK­OR­CHESTER: NACH­SCHLAG

In der letzten Woche hat uns bereits das Thema des Kultur­ra­dios beschäf­tigt – eine Debatte, die Fahrt aufnimmt. Nun hat Kollege Arno Lücker in seiner Serie „Die Abschaf­fung des Kultur­ra­dios“ dem ARD-Nacht­kon­zert leise nach­ge­weint – lesens­wert! Die Abschaf­fung findet er „gewis­ser­maßen sympto­ma­tisch für das lang­same Verschwinden (bezie­hungs­weise für den Selbst­mord) der Kultur­wellen“ und verspricht weitere Recherche auf diesem Feld. Und auch ich habe mich noch einmal inten­siver mit dem Thema beschäf­tigt und mit Hartmut Welscher vom VAN-Magazin gespro­chen, der das Thema der Rund­funk­or­chester in seinem Text „Quadratur des Kreises“ ange­spro­chen hatte. Hier noch seine Einschät­zung der Lage der Rund­funk­or­chester. 

UND EWIG GRÜSST DAS BAYREU­THER MURMEL­TIER

Es ist immer wieder faszi­nie­rend zu sehen, wie die im Früh­jahr Medi­en­ho­heit gene­rieren. An dieser Stelle hatten wir bereits über die Span­nungen zwischen Kultur­staats­mi­nis­terin Monika Grüt­ters und der Stif­tung der Fest­spiele berichtet, nun hat dem Kollegen Jan Brach­mann von der FAZ ein ausführ­li­ches Inter­view gegeben. Zusam­men­ge­fasst hat den Text hinter der Bezahl­schranke der BR: Die verkürzten Fest­spiele werden – als Corona-Maßnahme – mit zwei Orches­tern geprobt. Während der „Ring des Nibe­lungen“ verschoben wurde, wird es eine Instal­la­tion zur „Götter­däm­me­rung“ geben – von der japa­ni­schen Künst­lerin Chiharu Shiota. Als weiteres neues Format stehe eine Neukom­po­si­tion von „Rhein­gold“ auf dem Programm. Die solle am Teich des Fest­spiel­parks urauf­ge­führt werden: „Ich denke, mit diesen Formaten können wir trotz der coro­nabe­dingten Verschie­bung des ‚Rings des Nibe­lungen‘ ein künst­le­risch anspre­chendes Programm bieten, eben ein anderer ‚Ring. Nicht nur reine Oper“, sagte Katha­rine Wagner. Weiterhin sei eine „Walküre“ wohl gemeinsam mit geplant, und „etwas zu Sieg­fried“.

Katharina Wagner, die Intendantin der Bayreuther Festspiele, über ihre Pläne in Zeiten der Pandemie

Auch mit wolle man weiter arbeiten, der hat aller­dings derzeit keinen Vertrag. Dass Thie­le­mann in alter Form (also als Musik­di­rektor) verlän­gert wird, scheint eher unwahr­schein­lich, über die endgül­tige Form sei man in Verhand­lungen.

ORCHESTER-FOTO­GRAF GEGEN ALUHÜTE

Auf Orches­ter­reisen kommen sich Jour­na­listen und Mitar­beiter eines Orches­ters oft näher. Vor zwei Jahren war ich mit der Staats­ka­pelle in , und lernte den Orches­ter­fo­to­grafen Matthias Creut­ziger kennen: ein ausge­gli­chener, cooler Typ und ein begeis­terter, krea­tiver Foto­graf – nicht nur in den Welten von Klassik und Jazz, sondern überall, wo es um den Umgang mit Menschen geht, sein Kuba-Kalender schmückt unsere Küche. Nun ist Matthias Creut­ziger an die Öffent­lich­keit gegangen, um zu erzählen wie ernst­haft er unter Corona gelitten hat. Er lag im Koma und spricht mit dem Kollegen Michael Ernst im darüber, weil Creut­ziger vor der Leug­nung der Krank­heit und ihrer Gefahren warnen will. Und deshalb sei auch an dieser Stelle auf den Beitrag verwiesen, der mit einem zyni­schen Lächeln endet: „Naja, also wenn ich gewusst hätte, dass ein Alu-Helm reicht, um sich vor Corona zu schützen, dann hätt« ich das natür­lich gemacht. Aber auf die Idee bin ich leider nicht gekommen.“ Alles Gute, lieber Matthias Creut­ziger! 

SÄNGER ALS HIRN­LOSE MARIO­NETTEN?

Eine Kolumne von Thomas Tren­kler in der öster­rei­chi­schen Zeitung „Kurier“ kursierte letzte Woche auf aller­hand Face­book-Profilen. Darin geht es um das „Hören­sagen“ (und das ist auch die Schwäche des Textes), wie Sänge­rInnen das Leben schwer gemacht wird – und wie sie selber dabei zu „hirn­losen Mario­netten“ werden. Hier ein Auszug: „So haben es sich zum Beispiel Agen­turen zur Gewohn­heit gemacht, sich von den Sängern für die Möglich­keit eines Vorsin­gens bezahlen zu lassen.“ Dieser von verzwei­felt nach Auftritts­mög­lich­keiten suchenden Künst­le­rinnen und Künst­lern einge­ho­bene „Unkos­ten­bei­trag“ – angeb­lich nur für die Saal­miete und den Korre­pe­titor – genüge wohl in etli­chen Fällen, um das Über­leben der Agentur zu sichern, ohne dass diese tatsäch­lich irgend­je­mandem einen Job vermit­teln müsste. „An die immer teureren Vorsing-Trai­nings in einer Zeit, in der es so gut wie keine seriösen Vorsingen gibt, möchte ich gar nicht denken.“ Streitbar.

PERSO­NA­LIEN DER WOCHE

Die Diri­gentin will ihren Vertrag beim Birmingham Symphony Orchestra nicht über den Sommer 2022 hinaus verlän­gern. Norman Lebe­recht vermutet den Brexit als einen Grund, die in lebende Diri­gentin sei „bereit für den nächsten Schritt“. +++ Gegen den Brexit war bekannt­lich auch Simon Rattle. Der hat nun mit Pop-Star Elton John und 100 weiteren Musi­kern einen offenen Brief an die briti­sche Regie­rung in der Times veröf­fent­licht. Briti­sche Musiker, Tänzer, Schau­spieler und ihre Mitar­beiter seien schänd­lich fallen gelassen worden. Wo die verspro­chene Bewe­gungs­frei­heit in der EU stehen müsste, klaffe ein Loch. Die Regie­rung solle ihre Verspre­chen einlösen und schnellst­mög­lich dafür sorgen, dass ein unbü­ro­kra­ti­sches Reisen zwischen und der EU statt­finden kann, in beide Rich­tungen, denn schließ­lich gebe es auch genug euro­päi­sche Künstler, die in Groß­bri­tan­nien beliebt seien. +++ Bernd Loebe bleibt voraus­sicht­lich bis 2028 Inten­dant und Geschäfts­führer der Oper . Der Magis­trat der Stadt stimmte nach Angaben des Kultur­de­zer­nats am Freitag einer vorzei­tigen Vertrags­ver­län­ge­rung zu. Loebe wertete das Angebot der Stadt in einer Mittei­lung „als Zeichen einer seltenen Einmü­tig­keit zwischen der und ihrem Träger“. +++ Keine Freunde dürfte sich Diri­gent gemacht haben, der nicht nur Poli­tiker, sondern auch Inten­danten beschul­digt, nicht aktiv genug zu sein, um ihre Häuser wieder zu öffnen. „Wo sind denn auch in und in und in die öffent­li­chen Insti­tu­tionen und die Inten­danten und die Chefs, die voran­gehen und sagen: ‚Liebe Leute, wir machen es anders. Wir haben tolle Konzepte, es muss weiter­gehen‘“, fragt sich Thomas Hengel­b­rock im -Inter­view. Bei vielen Häusern hat er viel­leicht Recht, aber im Großen und Ganzen sind es doch gerade die Inten­danten, die immer wieder auf neue Schutz­kon­zepte setzen. Ich schätze, dass Niko­laus Bachler, einer der Vorreiter für Öffnungs­kämpfe, bei Hengel­b­rocks Worten nur mit den Schul­tern zuckt.

Ach ja, und dann war da noch die lustige Mode­show von Anna-Ihr-Könnt-Mich-Alle-Mal-Netrebko!

https://​www​.face​book​.com/​a​n​n​a​n​e​t​r​e​b​k​o​/​v​i​d​e​o​s​/​1​9​7​0​6​1​6​2​5​4​4​4​001

Ach, übri­gens: Die will vom 8. Februar an als Museum öffnen – das macht durchaus Sinn, wenn man die 17jahre alte Bieito-Carmen als „Première“ oder einen „Nabucco“ mit Domingo in die Vitrinen stellt …

In diesem Sinne: Halten Sie die Ohren steif!

Ihr

brueggemann@​crescendo.​de