KlassikWoche 14/2020

Ihre Hilfe, Domingo im Kran­ken­haus und das Beste im Netz

von Axel Brüggemann

30. März 2020

Die Auszahlungen der CRESCENDO-Nothilfe, die Infektion Plácido Domingos mit COVID-19, der Tod des Komponisten Krzysztof Penderecki.

IN DER KRITIK

Trailer zu „7 Deaths of “ in der Münchner Staats­oper

Die Baye­ri­sche Staats­oper streamt nicht nur regel­mäßig ihre Auffüh­rungen, sondern sie führt auch noch immer auf: einmal die Woche, ohne Publikum. Und für diese Auffüh­rungen muss geprobt werden. Nun regt sich Protest – vor allen Dingen im Orchester. „Proben unter Zwang“ seien das, wird Inten­dant vorge­worfen. Der glaubt indes: Nur ein Theater, das spielt, exis­tiert auch. Der aktu­elle Proben­plan sieht laut Deutsch­land­funk eine normale und regu­läre Probe­woche vor. Vor allen Dingen scheint es darum zu gehen, das Opern-Projekt von Marina Abra­mović „7 Deaths of Maria Callas“ über die Bühne zu bringen. Offi­zi­elles Premie­ren­datum ist der 11. April. soll das Stück diri­gieren. Wenn der Law-and-Order-Minis­ter­prä­si­dent ist, was ist dann Niko­laus Bachler? Der Western von Gestern? 

CRESCENDO-NOTHILFE: 20.000 EURO AUSGE­ZAHLT

CRESCENDO-Nothilfe will Künstlern spontan und kurzfristig helfen.

Während Sie diese Zeilen lesen, werden die Gelder der CRESCENDO-Nothilfe für Musi­ke­rInnen in Not bereits ausge­zahlt. Dank Ihnen allen für Ihr Vertrauen, für Ihre Spenden, aber auch für Ihren Mut, sich bei uns zu melden! Wir haben 690 Anträge erhalten und Spen­den­gelder in Höhe von 20.000 Euro, unter anderem in groß­zü­gigen Einzel­spenden wie von der Sopra­nistin , aber auch Klein­spenden und 55-Euro-Nothilfe-Abos. Wir danken allen Spen­dern ganz herz­lich.

Das Kura­to­rium aus CRESCENDO, art but fair e.V. (Johannes Maria Schatz/ Vorsit­zender ), Deut­schem Musikrat (Stefan Piendl/ Geschäfts­führer), der GEMA (Johannes Ever­ding/ Direk­tion) und Münchener Konzert­verein e.V. (Helmut Pauli/​stellv. Vorsit­zender) hat gestern die Verteil­kri­te­rien beschlossen: Wir haben uns auf eine Sortie­rung nach Fami­li­en­si­tua­tion und Einkommen geei­nigt. Somit können wir 40 Musi­ke­rInnen mit einmalig 500 Euro pünkt­lich zum Monats­wechsel unter die Arme greifen.

Als wir die CRESCENDO Nothilfe vor zwei Wochen gegründet haben, waren wir noch allein und haben auch bewusst nur die Zeit über­brü­cken wollen, welche die Politik braucht, um eigene Nothil­fe­sys­teme zu entwi­ckeln. Heute beob­achten wir, dass die Not offenbar größer ist, als die Möglich­keiten der schnellen Hilfe. Deshalb bitten wir Sie, weiter zu spenden. Da wir in den letzten Wochen eng mit dem Verein art but fair zusam­men­ge­ar­beitet haben, empfehlen wir Ihnen, das Akti­ons­bündnis darstel­lende Kunst zu fördern, das eben­falls von art but fair unter­stützt wird. Dieses Programm läuft noch eine weitere Woche. Bitte helfen Sie auch in der nächsten Zeit den Künst­lern, die auf Ihre Hilfe ange­wiesen sind. Für Künst­le­rInnen in Not unter­hält der Deut­sche Bühnen­verein eine regel­mäßig aktua­li­sierte Liste mit Förder­ein­rich­tungen.

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Eine Auswahl der über 900 Klassiklabels aus der Naxos Music Library

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KRAN­KEN­AKTEN

, eben­falls mit COVID-19 infi­ziert, wurde in ein Kran­ken­haus in Acapulco verlegt – sein Gesund­heits­zu­stand sei stabil, heißt es. +++ Die Geigerin erklärte via Face­book und Insta­gram, dass auch sie an COVID-19 erkrankt sei. Sie begab sich in Quaran­täne. Aus vielen Gründen: Gute Besse­rung! 

WANN GEHT ES WEITER?

Niemand kennt die Antwort auf diese Frage. Die und haben nun wenigs­tens versucht, einen zeit­li­chen Fahr­plan aufzu­stellen. In der NZZ erklärt Hinter­häuser, dass man spätes­tens am 30. Mai darüber entscheiden wolle, ob die Jubi­lä­ums­aus­gabe der 100. Salz­burger Fest­spiele statt­finden könne. Bereits am 15. April soll über die Pfingst­fest­spiele entschieden werden. +++ Das öster­rei­chi­sche hat seine Sommer­ver­an­stal­tungen weit­ge­hend abge­sagt (u.a. ). +++ Das Sommer­nachts­kon­zert der ist vom 21. Mai auf den 18. September verlegt worden. +++ Die halten, so war es im Spiegel zu lesen, noch an den Fest­spielen im Sommer fest. Eng wird es dennoch, denn dieses Jahr muss ein kompletter „Ring“, also vier Abende Oper, neu einstu­diert werden. +++ Die haben gerade ihr Spiel­zeit­ma­gazin heraus­ge­bracht – unter anderem mit einem voll­kommen neuen Logo.

STREAMS STRESS UND STAAT

Im letzten News­letter haben wir die Frage gestellt, ob kosten­lose Live­streams die Kunst entwerten. Die Sopra­nistin hat den Ball nun aufge­nommen: „Ich habe kein Corona“, lässt sie auf Face­book wissen. „Ich mache auch keine Werbung damit wie andere Künstler/​Ich habe keine Angst/​Ich mache auch keine pein­li­chen Haus Konzerte/​Ich wünsche mir Norma­lität.“ Kosten­lose Streams findet sie blöde. Klare Kante. Andere Künstler suchen nach Alter­na­tiven. Span­nend die Idee von , der gemeinsam mit dem Teldex Studio in einen eigenen Stream ange­boten hat – für 8 Euro. Über finan­zi­ellen Erfolg oder Miss­erfolg ist noch nichts bekannt.

Einen Tag später hat Kermes übri­gens gepostet, dass auch sie zu den vielen Künst­le­rInnen gehöre, die nicht einmal dazu kamen, einen Antrag auf Hilfe bei der Inves­ti­ti­ons­bank Berlin zu stellen. Die Bank hatte das Verfahren nach nur kurzer Zeit gestoppt, weil die Anfragen das Auszah­lungs­vo­lumen um ein Viel­fa­ches über­stiegen haben. Derzeit scheint die poli­ti­sche Hilfs­ab­wick­lung in NRW beson­ders gut zu laufen. In dagegen scheint es sehr kompli­ziert zu sein.

Über­haupt erfahren derzeit viele Menschen (nicht nur Künst­le­rInnen), dass die Politik zwar rasche Hilfen verspricht, die Umset­zung aber komplex und schwierig ist. Privat orga­ni­sierte Hilfs­fonds wie jener von CRESCENDO oder die Nothilfe der Deut­schen Orchester-Stif­tung können da unbü­ro­kra­ti­scher arbeiten. Eindrucks­voll, wie viele Orchester sich bereits an der Hilfs­ak­tion der Orchester-Stif­tung betei­ligt haben, um Frei­be­ruf­lern zu helfen. hat die Schirm­herr­schaft über­nommen. Ebenso wie Kultur­staats­se­kre­tärin Monika Grüt­ters. Das mag verwun­dern und ein wenig wie PR aussehen. Sollten Poli­tiker nicht lieber auf ihren Baustellen für einen reibungs­losen Ablauf der staat­li­chen Hilfs­gelder in den kommenden Tagen sorgen? Viel­leicht ist beides möglich: Notfonds wie jener der Orches­ter­stif­tung haben bereits zu einer Zeit Bewer­bungen, Formu­lare und Abwick­lung orga­ni­siert, als das auf poli­ti­scher Ebene noch gar nicht ange­dacht war. Bei der CRESCENDO-Nothilfe gingen fast 700 Online-Anträge ein. Davon könnte der Staat nun profi­tieren. Eine echte Geste wäre es, wenn der Bund (oder die Länder) jene (geprüften und berech­tigten) Anträge der Not-Projekte über­nehmen, die nicht durch Spen­den­gelder gedeckt sind. Das wäre zumin­dest eine Über­le­gung wert.

Über­haupt gibt es derzeit beson­ders orga­ni­sa­to­ri­sche Hemm­nisse. So verfügen zahl­reiche Staats­be­triebe wie Theater oder Orchester zwar über große Jahres­etats, dürfen aber nicht Gelder für Leis­tungen auszahlen, die (auf Grund der Corona-Absagen) nicht erbracht wurden. Die Frage, wie frei die Häuser im aktu­ellen Fall mit den Geldern umgehen dürfen, ist heikel und muss durch das Zuwen­dungs­recht geklärt werden. Auch hier hat Grüt­ters bereits Zuver­sicht gestreut – aber die Betriebe warten auf Rechts­si­cher­heit. 

JENSEITS VON CORONA

Berger Berg­mann ist dem Raus­wurf zuvor­ge­kommen und hat die Geschäfts­füh­rung der Theater und der Phil­har­monie in abge­geben. Zuvor hatten Mitar­beiter sich über die Spar­maß­nahmen beschwert und bemän­gelt, dass wenig Frei­raum für künst­le­ri­sche Arbeit und Qualität bleibe. +++ Der polni­sche Kompo­nist ist nach langer, schwerer Krank­heit gestorben. Bis zuletzt wollte er noch eine Varia­tion zu Rudolf Buch­bin­ders neuem Diabelli-Zyklus zusteuern – aber die Kraft ging ihm aus. Pender­ecki ist einer der wirkungs­vollsten Kompo­nisten der nach­se­ri­ellen Zeit. Seine Musik war einst eine Pioniertat, geis­tige und geist­liche Höhen­flüge! Inzwi­schen ist sie in der ganz großen Unter­hal­tung ange­kommen, etwa in Kino­filmen wie Stanley Kubricks „Shining“. 

DAS BESTE IM NETZ

https://​www​.face​book​.com/​l​u​k​a​s​n​i​m​s​c​h​e​c​k​/​v​i​d​e​o​s​/​1​0​2​1​6​7​9​9​9​2​0​5​7​2​3​11/

Letzte Woche ging es an dieser Stelle um die Möglich­keit, wie Musiker bei Streams bezahlt würden – ein Beispiel waren die Über­tra­gungen durch Öffent­lich-recht­liche Rund­funk­an­stalten. Ich bin davon ausge­gangen, dass die Künstler des Strea­ming-Konzertes aus dem Konzert­haus bezahlt worden seien (was ja eine gute Lösung für die Zukunft sein könnte). – schrieb mir eine SMS und stellte richtig: Zu diesem Anlass seien alle kostenlos aufge­treten. Tatsäch­lich geht Daniel Hope den Weg auf der Suche nach einer künst­le­ri­schen und klang­li­chen Zukunfts-Perspek­tive nun weiter: Täglich um 18:00 Uhr sendet er in erst­klas­siger Aufnah­me­technik Haus­kon­zerte auf . +++ Derweil sind meine virtu­ellen Lieb­lings-Corona-Privat-Aufnahmen der Song System­re­le­vant, die Inter­pre­ta­tion von John Cages 4′33″ durch Tilman Rein­hardt und die wunder­bare Staya­thome-Oper

In diesem Sinne: Bleiben Sie auch diese Woche zu Hause, und bleiben Sie gesund… und die Ohren – klar: die halten wir weiter steif!

Ihr

brueggemann@​crescendo.​de