Luisa Imorde
Musik für die Augen
von Stefan Sell
26. Juni 2022
Immer auf der Suche nach Korrespondenzen: Die Pianistin Luisa Imorde stellt auf ihrem Album »Polychromie« die acht Präludien von François Couperin denen des jungen Olivier Messiaen gegenüber.
Luisa Imorde ist eine begnadete Pianistin, ihr Spiel hell, klar, überbordend und essenziell zugleich. Vor allem aber berührt es die Seele. Ihr Album „Polychromie” ist wohl ihr bisher reifstes Werk und eine der interessantesten Neuerscheinungen der letzten Zeit. Imorde stellt die acht Präludien aus François Couperins L’art de toucher le clavecin den acht Präludien (Huit préludes) gegenüber, die Olivier Messiaen als 20-Jähriger komponierte. Um die Präludien beider in Korrespondenz zu setzen, hatte sie die geniale Idee, als Transmitter weitere acht Charakterstücke aus Couperins Pièces de clavecin einzufügen. So verschmelzen die insgesamt 24 Stücke zu einem Ganzen, das auf einer neuen Ebene eine wundersame Vielfarbigkeit in allen Schattierungen offenbart.
Messiaen betonte: „Wenn ich Musik höre, sehe ich die korrespondierenden Farben”. Und er erklärte: „Ich konnte Farbscheiben gegenüberstellen, Regenbögen verschachteln, Komplementärfarben in der Musik finden. Hinter den Titeln der Préludes verbergen sich Farbetüden.” Das trifft ins Schwarze. Denn hier klingen die doch so unterschiedlichen Werke komplementär. Die Titel und Spielanweisungen beider sind durchweg poetisch, von malerischer Natur. Messiaens erstes Prelude La colombe (die Taube) steht für „Orange mit violetten Adern” – „langsam, ausdrucksvoll, mit einem sehr umhüllten Klang”, heißt es, dessen Ausklang ein wiederholter Achtklang ist, ein für Messiaen typischer „Akkord der Resonanz”. Auch Couperin wies daraufhin, dass seine Stücke „Portraits” sind, und dass er etwas „abbilden wollte”. Er habe immer etwas vor Augen gehabt, als er diese Stücke schrieb, heißt im Vorwort. So folgt auf Messiaens La colombe Couperins Le Rossignol en amour (Die Nachtigall in der Liebe), „langsam und sehr zärtlich, wenn auch gemessen” zu spielen. Messiaens Cloches d’angoisse et larmes d’adieu (Glocken der Angst und Tränen des Abschieds), das den Glockenschlag aus Ravels Le Gibet zu zitieren scheint, spiegelt den Kontrast im Titel auch in der Musik wider, polymodal, polyrhythmisch, polychrom. Imorde weiß jede dieser Nuancen filigran auszuführen. Ein Traum, ihr hierbei Ton für Ton zu folgen.
Auftrittstermine und weitere Informationen zur Pianistin Luisa Imorde auf: www.luisaimorde.de