Salzburger Mozartwoche
„Mozart lebt!“
7. Dezember 2018
Rolando Villazón, der neue Intendant der Salzburger Mozartwoche, präsentiert ein Programm klangvoller Namen, spektakulärer Künstler und jeder Menge beglückender Musik.
Rolando Villazón, der neue Intendant der Salzburger Mozartwoche, präsentiert ein Programm klangvoller Namen, spektakulärer Künstler und jeder Menge beglückender Musik.
Es war ein bisschen wie in seinen Opern: Menschen, die begehren, abweisen, ihre Intrigen schmieden und Verwirrspielchen treiben. Mozart liebte Salzburg nicht. Und Salzburg hatte ihn hinauskomplimentiert. Mozart aber liebte München, das er als Wunderkind kennenlernte. Doch die Stadt erhörte ihn nicht. Jahre wird Mozart um eine Anstellung als Hofkompositeur in München kämpfen, sich „untertänigst zu Füßen“ des Fürsten werfen und „Eurer Durchlaucht“ versichern, dass er „München gewiss Ehre machen“ werde. Doch der will davon nichts wissen. „Es ist keine Vacatur da. Wenn nur eine Vacatur da wäre!“ Auch seine Erfolge mit La finta giardiniera 1775 und Idomeneo 1781, die beide in München uraufgeführt wurden, ändern nichts daran. Irgendwann steht fest: Die Mozartkugel wird keine weiß-blaue Spezialität – auch wenn Mozart sie gar nicht erfunden hat. Pech für München. Pech für Mozart?
Nein, sagt Rolando Villazón, der neue Intendant der Salzburger Mozartwoche. „Mozarts Pech in München ist unser Glück. Am Fürstenhof hätte er nur Hofmusik komponiert. So konnte er viel eigene Musik schreiben.“ Aus Salzburg sind Villazón und Ulrich Leisinger, Leiter der wissenschaftlichen Abteilung der Stiftung Mozarteum, nach München gekommen, um mit der versammelten Presse auf Mozarts Spuren zu wandeln und sie auf die Mozartwoche 2019 einzustimmen, die wie immer rund um Mozarts Geburtstag am 27. Januar stattfindet. Wer „Señor 100.000 Volt“ kennt, war von Villazóns Performance nicht enttäuscht. Emphatisch beteuert der 46-Jährige mit den schwarzen Locken: „Mozart lebt!“
„Mozarts Pech in München ist unser Glück. Am Fürstenhof hätte er nur Hofmusik komponiert“
Ohne Punkt und Komma schwärmt er von seiner Liebe zu Mozart und der universalen Kraft seiner Musik, „die alle Menschen verbindet … Ein Musiker, ein Denker, ein Mensch, so reif und so kindisch, so analytisch und so spontan, so komplex und doch praktisch, so feinsinnig und derb. Seine Musik beglückt uns alle in guten und in schlechten Momenten“. Da wundert es fast, dass Villazón um Bedenkzeit bat, als man ihm 2017 die Intendanz der Mozartwoche für fünf Jahre offerierte. Schließlich sei es mit einem so beliebten Komponisten nicht einfach, seiner Geburtsstadt Salzburg alle „Ehre zu machen“, findet auch Ulrich Leisinger: „Es gibt so viele Mozart-Feste auf der Welt. Wie kann man sich herausheben?“ An der Musik scheitert es auf alle Fälle nicht. 626 Werke hinterließ das Genie auf acht Kilometern Notenpapier, aus denen eine Auswahl zu treffen war: eine Mischung aus Orchesterkonzert, Kammermusik und szenischem Werk, angereichert durch Tanz und Kabarett, sowie der Konzentration auf bekannte und selten gespielte Chorwerke. Über allem aber die Frage: Wer war Mozart wirklich? War er ein Mann der Aufklärung?
Ja, findet Villazón, weshalb er Mozarts kaum bekannte Schauspielmusik Thamos, König in Ägypten von 1773 auf das Programm setzt. Das Werk basiert auf einem dialektischen Lehrstück von Tobias Philipp Freiherr von Gebler. Damit es nicht allzu abstrakt und spröde zugeht, hat Villazón die Garanten für Aktion, Schock und Spektakel mit der Inszenierung beauftragt: Carlus Padrissa und seine katalanische Theatergruppe La Fura dels Baus. Brachial, monumental und multimedial ist die künstlerische DNA der Truppe. Man darf sehr gespannt sein, wie explosiv der Cocktail sein wird, der ihnen zu dem spektakulären Ort einfällt, an dem Geblers Drama spielt: Heliopolis, die Sonnenstadt, 3000 v. Chr. „Wir werden so tun, als lebten wir im Heliopolis dieser Zeit“, verrät Padrissa, „allerdings mit der heutigen Technologie.“ Und dem Schweizer Matterhorn, wie er schmunzelnd hinzusetzt.
„Mozart, das revoltierende Naturell zu entfesseln. Ihm seinen Schmutz zu belassen und alles Bequeme in Scherben zu schlagen“
Ein Glücksgriff gelang Villazón mit dem Engagement der „teuflisch guten“ Slam-Poetin Lisa Eckhart. „Mozart, das revoltierende Naturell zu entfesseln (…). Ihm seinen Schmutz zu belassen (…) und alles Bequeme in Scherben zu schlagen“, verspricht die 27-jährige Österreicherin, deren Verse fast wie Musik klingen: kunstvoll geschliffen, virtuos montiert. Eine Meisterin der schlitzohrig hochgeistigen Boshaftigkeit, der bitterbösen Reime, der pointierten, gerne mal vulgären Provokation. Herrlich politisch unkorrekt und jede Erwartung unterlaufend. Das passt zu Mozart wie zu keinem anderen.
Einzigartig ist auch die britische Pantomimin Nola Rae, die seit Jahrzehnten mit ihrer Mischung aus Komik, Tanz, Comedy und Puppenspiel die Welt entzückt. „Mozart Preposteroso“ („Der absurd verrückte Mozart“) heißt ihre Show, in der sie dem Wolferl eine rote Nase verpasst. Ein Kasperltheater wird es trotzdem nicht. Selbstverständlich sind auch diesmal die Berühmtheiten mit von der Partie: Sir András Schiff, Daniel Barenboim, Cecilia Bartoli, Janine Jansen, Philippe Herreweghe und Villazóns Neuentdeckung: Regula Mühlemann. Weiteres Highlight: Mozarts Oratorium La Betulia liberata, eine Geschichte von alttestamentarischer Wucht mit Christophe Rousset und Les Talens Lyriques.
Kleiner Trost für München: Ein bisschen blau ist die Mozartkugel aber doch geworden, die übrigens ein Salzburger Konditor im Jahr 1890 erfand.