Klassikwoche 06/2020

Nie sollst du Frey befragen und andere Unge­reimt­heiten

von Axel Brüggemann

3. Februar 2020

Will­kommen zur neuen Klassik-Woche,

während wir seit letzter Woche nichts mehr von Bogdan Roščić gehört haben, entwi­ckelt sich das Opern­ball-Desaster in zu einer unend­lich pein­li­chen Geschichte. Außerdem: ein versteckter Professor, Diven gegen Trump und Piotr Beczała über das Regie­theater. 

WAS WAR

In Dresden tappt Hans-Joachim Frey von Fett­napf in Fett­napf – in will er „Lohen­grin“ insze­nieren (hier das Bühnen­bild).

DAS DRESDNER DEBAKEL 

Seit wir an dieser Stelle vor zwei Wochen die Frage aufge­worfen haben, ob es nicht an der Zeit sei, dass der sich vom Dresdner Opern­ball und seinem Veran­stalter Hans-Joachim Frey verab­schiedet, ist viel passiert: Nachdem Semper­opern-Inten­dant Peter Theiler bei uns ange­rufen hat, um klar zu machen, dass sein Haus nichts mit dem Ball zu tun hätte, hat letzte Woche Judith Rakers als Mode­ra­torin abge­sagt, ebenso wie wenig später Mareile Höppner (sie aller­dings wünscht Solo-Mode­rator Roland Kaiser noch „viel Kraft“). Etwas lustig: Fußball-Manager Uli Hoeneß hat sein Kommen explizit zuge­sagt! Derweil hat der Tages­spiegel heraus­ge­funden, dass Sach­sens Regie­rung die Verlei­hung des Ball-Ordens an Ägyp­tens Diktator Al-Sisi im Vorfeld wohl abge­nickt hatte. Ball-Orga­ni­sator Hans-Joachim Frey lässt keinen Fett­napf aus, und auch der MDR machte keine gute Figur: In einer Radio-Sendung wurde Judith Rakers zwar die Gret­chen­frage gestellt, ob sie den Ball wirk­lich mode­rieren wolle – der Sender verzich­tete aber darauf, seine eigenen Verant­wort­li­chen zu befragen. Statt­dessen wurs­telte sich der MDR durch und wird den Ball am 7. Februar trotz aller Kritik über­tragen. „Dafür ist die Fern­seh­un­ter­hal­tung verant­wort­lich“, heißt es von leicht genervten Mitar­bei­tern des MDR, „und die schauen eben auf die Quote.“ Die Klassik-Redak­tion hat in diesem Fall eh nichts zu melden. Auch das hat Ende letzten Jahres übri­gens eine inves­ti­ga­tive Repor­tage über den Einfluss Wladimir Putins auf die inter­na­tio­nale Klassik-Szene (und die Rolle von Hans-Joachim Frey und ) auf Grund von „Budget-“ und „Sende­platz­schwie­rig­keiten“ kurzer­hand abge­sagt.

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32 x Beet­hoven – der Klavier­pod­cast mit Igor Levit

Er wird für sein Beet­hoven-Spiel gefeiert. In seinem neuen Podcast nimmt er uns mit auf eine Reise durch die 32 Klavier­so­naten. Spontan, persön­lich und mit vielen Musik­bei­spielen.

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NIE SOLLST DU FREY BEFRAGEN

Einen Tag nach dem Ball in Dresden, am 8. Februar, hat der „Lohen­grin“ am Première – Regie führt: Hans-Joachim Frey. In seinem News­letter bat das Theater: „Sie sind herz­lich einge­laden, Ihre Fragen an das Regie-Team einzu­senden (pr@​theater-​erfurt.​de | Betreff: „Lohen­grin“).“ Das habe ich natür­lich sofort getan, und zwar so: „Sehr geehrte Damen und Herren, mit großer Freude habe ich gelesen, dass wir Ihnen Fragen zur Insze­nie­rung von Hajo Frey stellen können. Mich würde – auch für meinen News­letter – inter­es­sieren: wie ist das Verhältnis zwischen Hajo Frey und Ihrem Inten­danten Guy Montavon? Konkreter: Wie oft wurde Ihr Inten­dant in den letzten zehn Jahren von Herrn Frey nach Russ­land einge­laden? Und wie konkret sah das Unter­hal­tungs­pro­gramm dort aus?“ Antworten sollten eigent­lich bis gestern gegeben werden – aber hey, viel­leicht hat man sich’s auch anders über­legt: „Nie sollst du Frey befragen!“ Fakt ist: Jeder war zum Fragen aufge­for­dert, und Fragen kostet bekannt­lich nix – sollten Sie noch etwas von Hans-Joachim Frey wissen wollen: Die nötige E‑Mail-Adresse haben Sie ja nun. 

MAUSER ENTZIEHT SICH DER HAFT

Zwei Jahre und neun Monate soll die Haft­strafe dauern, die der ehema­lige Präsi­dent der Münchner Musik­hoch­schule, Sieg­fried Mauser, antreten muss. Doch, wie die Süddeut­sche Zeitung nun berichtet, entzieht er sich dem Haft­an­tritt seit dem 13. Januar. Die Zeitung schrieb: „Nach SZ-Infor­ma­tionen hat Mauser seinen Wohn­sitz in München verlassen und hält sich in Salz­burg auf. »Er wurde nicht ordnungs­gemäß geladen«, meint Anwalt Stevens. Mauser habe in Öster­reich seinen Haupt­wohn­sitz und einen öster­rei­chi­schen Passwas dazu beitragen könnte, dass er seinen Haft­an­tritt noch länger hinaus­zö­gern kann.“ Eine weitere Verhöh­nung seiner Opfer. 

WAS IST 

Im neuen Video der orien­tieren sich und offen­sicht­lich an den Böse­wich­tern aus den 007-Filmen.

TICHY LIEBT THIE­LE­MANN 

Nachdem Chris­tian Thie­le­mann kürz­lich einem deutsch­tü­melnden Verbin­dungs-Magazin ein ausführ­li­ches Inter­view gab, wird der Diri­gent nun im neokon­ser­va­tiven Magazin „Tichys Einblick“ gefeiert (auf einen Link wird an dieser Stelle bewusst verzichtet). Matthias Niko­laidis versucht in seinem Porträt, den konser­va­tiven Thie­le­mann zu feiern, deutet dabei Thie­le­manns Ausboo­tung von in Bayreuth als Beweis der „Leiden­schaft für die Kunst“ und inter­pre­tiert die Aussagen des Diri­genten zu den „Meis­ter­sin­gern“ als modernes, konser­va­tives Ideal: „Ein ‚Lehr­stück des Benimmsei Wagners komi­sches Musik­drama, die ‚perfekte Inte­gra­ti­ons­oper‘. Was passe besser in unsere Zeit, schließt der konser­vativ denkende Diri­gent sibyl­li­nisch.“ Bleibt am Ende aller­dings eine viel wesent­li­chere Frage: Warum stili­sieren sich sowohl Chris­tian Thie­le­mann, als auch sein Salz­burg-Inten­dant Peter Ruzicka in ihrem aktu­ellen Video für die im James-Bond-Böse­wicht-Look?

DIVEN GEGEN TRUMP

Ange­fangen hat alles mit dem Face­book-Eintrag von Barbara Bonney. Als sich abzeich­nete, dass das Impeach­ment-Verfahren gegen Donald Trump im Sande verlaufen würde, schrieb sie: „Die sind nun das korrup­teste, ober­fläch­lichste und verach­tens­wer­teste Land der Welt. Ich bin nicht länger stolz, Ameri­ka­nerin zu sein. Ich bin ange­ekelt und schäme mich.“ Sofort stimmte Kollegin Laura Aikin ein: „So vieles am Land ist gut, es ist das System, das regiert, das so korrupt ist. (…) Die Sonne wird wieder hervor­kommen. Das ist sie bislang immer.“ Darauf kommen­tierte auch : „Mein Herz bricht, wenn ich an unser Land denke. Mein Herz bricht, wenn ich mir vorstelle, dass dieses das Erbe ist, das wir meinen Töch­tern über­lassen.“ Am Ende kommen­tiert auch der kana­di­sche Tenor : „Amen, Liebste – ich befürchte, Du hast Recht. Aber ich freue mich, dass ich Dich, eine stolze, schöne Ameri­ka­nerin kenne!“ 

SANTA CECILIA VERBANNT „ASIATEN“

Und noch mehr Tages­po­litik in der Klassik: Eigent­lich sollte man von Kultur­schaf­fenden Ausge­ruht­heit erwarten und keine Panik­mache. Aber wie passt folgende Meldung dazu? Das römi­sche Konser­va­to­rium Santa Cecilia hat per E‑Mail alle „oriental students“, also „alle Studenten aus China, Korea, etc.“ wegen des Corona-Virus« vom Unter­richt ausge­schlossen. Kein Wunder, dass es bei Studenten zum Aufschrei gegen die Mails und den Direktor Roberto Giuliani persön­lich kam. Der vertei­digt seine Maßnahme aller­dings auch weiterhin. 

FRANK­FURTER THEA­TER­DI­LEMMA

Wie viel ist die Kunst wert? Das fragt Hubert Spiegel in der Frank­furter Allge­meinen Zeitung und nimmt dabei die nötige Sanie­rung von Oper und Schau­spiel der Stadt als Anlass. Sein lesens­werter Artikel beginnt mit folgender Zusam­men­fas­sung: „Seit fast vier Jahren wissen nicht nur Thea­ter­gänger, dass die Frank­furter Doppel­an­lage für Schau­spiel und Oper sanie­rungs­be­dürftig ist. Von drei­hun­dert Millionen war damals zunächst die Rede. Ein Jahr später, im Juni 2017, hatte sich die Summe bereits verdrei­facht. Für mehr als sechs Millionen Euro hatte die Stadt eine mit stolz­ge­schwellter Brust vorge­stellte Mach­bar­keits­studie in Auftrag gegeben, die zwei Sanie­rungs­mo­delle sowie einen Entwurf für einen Neubau am alten Standort durch­spielte und Planungs­si­cher­heit garan­tieren sollte. Alle drei Vari­anten würden nach heutigem Stand mehr als eine Milli­arde kosten.“ 

PERSO­NA­LIEN DER WOCHE

Nachdem ihren Vertrag als Gene­ral­mu­sik­di­rek­torin in erst im Herbst ange­treten hatte, will sie das Haus nun vorzeitig verlassen. Grund für den Abgang von Matiakh soll mangelnde Präsenz in Halle sein, heißt es aus Aufsichts­rats­kreisen. Detlef Bran­den­burg kriti­siert in einem lesens­werten Text in der Deut­schen Bühne derweil die Rolle, die Matiakh bei der Entlas­sung von Inten­dant Florian Lutz gespielt habe. +++ Die Sängerin Randi Stene wird neue Chefin der Norwe­gi­schen Oper und folgt auf Anni­lese Miskimmon. +++ Nicht so ganz können wir die Infor­ma­tion glauben, die Norman Lebrecht aus in die Welt trägt. Demnach favo­ri­siert das Concert­ge­bou­wor­kest folgende Kandi­daten als Nach­folger von : Andris Nelsons (der ist aller­dings glück­lich in Leipzig), Valery Gergiev (nicht im Ernst!) und . +++ Lob für , Verrisse für ihren Gatten und ein Über­ra­schungs-Fest für die Sopra­nistin – so lässt sich die Münchner „Turandot“-Première zusam­men­fassen. +++ Die Chemie schien nicht mehr zu stimmen: Der Chef­di­ri­gent der Südwest­deut­schen Phil­har­monie wird das Konstanzer Orchester zum Ende der Saison 202021 verlassen. +++ Er war Chef­di­ri­gent in , Nürn­berg, und Korea – nun ist Othmar Mága im Alter von 90 Jahren gestorben. +++ Der Pianist Peter Serkin ist im Alter von 72 Jahren gestorben.

PIOTR BECZAŁA KRITI­SIERT REGIE­THEATER

Boden­ständig, nahbar, authen­tisch – Piotr Beczała spricht mit mir über sein Leben als Sänger.

Ich kenne keinen anderen Tenor, der so boden­ständig, gerad­linig und klar ist wie der Pole Piotr Beczała. Fast zwei Stunden lang haben wir mitein­ander über Gott und die Welt geplau­dert: Wie er als polni­scher Schwarz­ar­beiter nach Wien kam, aus Not in der Fußgän­ger­zone sang, bevor er sein erstes Enga­ge­ment in bekam und zufällig in einsprang. Beczała kriti­siert das Regie­theater, das bewusst alles anders machen will und entscheidet sich nach viel Nach­denken eher für seinen Lands­mann Papst Johannes Paul II. als für Fran­ziskus – da man als Pole wisse, wie viel der alte Papst für den Fall des Eisernen Vorhangs getan hätte. Das gesamte Gespräch hören Sie hier

In diesem Sinne: halten Sie die Ohren steif

Ihr

 

brueggemann@​crescendo.​de