Tabea Zimmermann

»Wie ein Akrobat unter der Zirkus­kuppel«

von Ruth Renée Reif

16. Februar 2020

Die Bratschistin Tabea Zimmermann wird mit dem Ernst von Siemens Musikpreis 2020 ausgezeichnet. Im CRESCENDO-Gespräch erzählt sie von ihrer Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponisten.

FCRE­SCENDO: Frau Professor Zimmer­mann, herz­liche Gratu­la­tion zu diesem Preis, der unter anderem Ihren Einsatz für die Neue Musik würdigt! Beein­dru­ckend ist die Liste dieser Urauf­füh­rungen. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf all diese Werke zurück, die Sie zu musi­ka­li­schem Leben erweckt haben?
: Herz­li­chen Dank! Der Preis ist eine große Freude für mich. Ich bin sehr froh über die Rolle, die mir in der Neuen Musik aufge­tragen wurde. Eine entschei­dende Prägung in diese Rich­tung erfuhr ich bereits an der Musik­schule Lahr. Die Lehrer dort orien­tierten sich an den Musi­ka­li­schen Haus- und Lebens­re­geln Robert Schu­manns, dass man nämlich nach und nach alle bedeu­ten­deren Werke aller bedeu­tenden Meister kennen­lernen müsse.

So kam ich bereits im Alter von vier Jahren mit der Kunst der Fuge in Berüh­rung. Mit fünf Jahren spielte ich das Streich­quar­tett Minimax von . Und im Quar­tett mit meinen Schwes­tern widmeten wir uns Wolf­gang Fortner. So lernte ich früh auch Musik des 20. Jahr­hun­derts kennen. Hinzu kommt, dass die Brat­sche als Nischen­in­stru­ment ohne fest­ge­legten Lite­ra­tur­kanon eine Offen­heit fordert. Jeder Brat­scher muss sich selbst sein Betä­ti­gungs­feld suchen.

Einer der bekann­testen Kompo­nisten, der für Sie schrieb, war . „Bei Tabea Zimmer­mann war ich derje­nige, der ein Stück schreiben wollte. Ich habe sie aller­dings dazu gebracht, dass sie fragte“, erin­nert er sich in einem Inter­view­band mit Eckhard Roelcke. War es schwierig, mit ihm zu arbeiten?
Als Person fand ich ihn unglaub­lich faszi­nie­rend. Die Arbeit mit ihm gestal­tete sich wech­sel­voll. Der Termin für die Urauf­füh­rung stand bereits fest, da quollen nach und nach einzelne Noten­blätter aus meinem Faxgerät. Als mir das Mate­rial voll­ständig vorlag, blieben mir gerade noch sechs Wochen bis zum Konzert.

Tabea Zimmermann

»Ich hatte keine Erfah­rung mit den Anfor­de­rungen, die György Ligeti an die Brat­sche stellte.«

Ich war erst Anfang 20 und hatte keine Erfah­rung mit einem so großen Meister und den Anfor­de­rungen, die er an die Brat­sche stellte. Aller­dings hatte ich das Gefühl, dass er mich mag, und das war wichtig für mich, weil ich ohne seine Sympa­thie bei seinen harschen Kommen­taren den Mut verloren hätte. „Lernen Sie das noch besser, oder soll ich den Satz kürzen?“, fragte er, als ich ihm den dritten Satz seiner Sonate vorspielte.

Das klingt nicht ermu­ti­gend…
Ganz schwierig wurde es für mich nach der Urauf­füh­rung. Mit jeder Wieder­ho­lung wurde mir dieser unge­heure Berg an Schwie­rig­keiten in diesem Stück bewusster, und es baute sich in mir eine immer stär­kere Span­nung auf. Bei einem Ligeti-Festival in der Royal Festival Hall in London sollte ich im Großen Saal vor über 2000 Besu­chern mit der Brat­schen­so­nate beginnen. Ich war schreck­lich nervös.

Tabea Zimmermann
Widmet sich mit Hingabe und voll­endeter Virtuo­sität der zeit­ge­nös­si­schen Musik: die Brat­schistin Tabea Zimmer­mann
(Foto: Rui Camilo / EvS Musik­stif­tung) 

Fünf Minuten vor meinem Auftritt klopfte Ligeti an meine Garde­ro­bentür: „Heute muss es gut werden!“, sagte er. „Das ist wichtig für mich.“ Sie können sich vorstellen, was das mit mir gemacht hat, da ich doch ohnehin schon so viel Angst hatte. Ich habe an diesem Abend auch wirk­lich nicht gut gespielt. Nach dem Konzert gab es einen Empfang. Ligeti kam auf mich zu und – ich kann es nicht anders sagen – machte mich fertig. Ich fuhr nach Hause, bekam eine Sehnen­schei­den­ent­zün­dung und konnte nicht mehr spielen. Nach 14 Tagen schrieb ich Ligeti einen Brief. Und dann geschah etwas Wunder­bares. Ich hatte den Brief noch nicht abge­schickt, da rief er an und bat um Entschul­di­gung. So konnte ich am Ende ein gutes Gesamt­bild von dieser Arbeit behalten.

Ligeti erzählt, er habe bei Ihnen eine C‑Saite gehört, wie er sie so schön nie in seinem Leben gehört habe. Und er habe ursprüng­lich die Idee gehabt, ein Stück nur für die Brat­schen-C-Saite zu schreiben…
Das war auf einem Festival jüdi­scher Musik in der Kölner Phil­har­monie. Da wurde Ligetis Violin­kon­zert urauf­ge­führt, und ich brachte das Brat­schen­kon­zert des israe­li­schen Kompo­nisten Mark Kopy­tman zur Urauf­füh­rung. Ligeti kam in der Pause in meine Garde­robe und sagte auf seltsam stot­ternde Weise: „Zimmer­mann, wenn Sie so weiter­spielen, kriegen Sie noch ein Stück von mir.“

Tabea Zimmermann

»Der erste Satz von Ligetis Sonate wird tatsäch­lich nur auf der C‑Saite gespielt.«

Als ich den Vertre­tern des Schott Verlages, die an dem Abend auch anwe­send waren, von der Begeg­nung erzählte, winkten sie ab. Das könne ich vergessen. Es gebe bereits eine lange Liste von Werken, die Ligeti in Planung habe. Zu meiner Freude aller­dings ergab es sich doch. Und der erste Satz der Sonate wird tatsäch­lich nur auf der C‑Saite gespielt.

wollte für sein Zweites Brat­schen­kon­zert eine sang­liche Linie: „Meine alte Idee des gesang­li­chen Konzerts, der ‚Instru­men­tal­kan­tate‘ lässt mich nicht los…“ Wie sind Sie diesem Wunsch begegnet?
Dieses Gesang­liche ist die Stärke der Brat­sche. Es liegt auch mir beson­ders, weil ich immer versuche, mein Instru­ment singen zu lassen. Von Rihm kannte ich bis dahin vor allem die heftigen und lauten Orches­ter­werke seiner Früh­zeit. Dieses sang­liche Stück über­raschte mich.

Keinen kanta­blen Klang, sondern „eine andere Art von Singerei“ wünschte sich Michael Jarrell für sein Brat­schen­kon­zert Emer­gences – Résur­gences. 
Da musste ich schon viele Schichten der Partitur ausein­an­der­nehmen, um zwischen all den hoch­vir­tuosen Aktionen noch an Singen denken zu können. Das Stück besitzt viele verschie­dene Farben, Facetten und kontras­tie­rende Abschnitte, in denen auch Humor zum Vorschein kommt, den man sonst nicht mit der Brat­sche in Verbin­dung bringt. Es ist unheim­lich schön gebaut, weil seine vier Sätze durch Über­gänge verbunden sind, sodass es zu einer musi­ka­li­schen Erzäh­lung wird. Nach dem ersten Schock der tech­ni­schen Schwie­rig­keiten kam die Freude an dem, was darin steckt, durch eine Aufnahme.

Tabea Zimmermann

»Bei Michael Jarrell entsteht ein Ball­spiel zwischen Solo und Orchester.«

Faszi­nie­rend klangen vor allem die Korre­spon­denzen zwischen der Solo­stimme und dem Orchester. Das beherrschte Jarrell auf virtuose Weise, sodass man als Hörer gleich beim ersten Mal und ohne Vorkennt­nisse versteht und gefangen ist. Die Solo-Brat­sche springt quer über das Griff­brett und muss einzelne ganz hohe Töne treffen, die kurz danach vom Schlag­zeug, der Flöte oder einem anderen Instru­ment wieder­holt werden. Es entsteht eine Art Ball­spiel zwischen Solo und Orchester, und das klingt fantas­tisch. Aller­dings ist es wahn­sinnig schwer zu spielen. Als ich Jarrell fragte, ob er das nicht hätte etwas einfa­cher schreiben können, erwi­derte er mit einem sehr netten Kompli­ment: „Wenn ich einmal Ferrari fahren kann, dann will ich das auch.“

wiederum, um ein letztes Beispiel zu nennen, hatte für sein Brat­schen­kon­zert Filz die Vorstel­lung eines dyna­mi­schen Klangs, eines wech­sel­baren Prozesses der Töne. Stellt jede neue Kompo­si­tion Sie und Ihr Instru­ment vor neue Heraus­for­de­rungen?
Ja, insbe­son­dere jene von Ihnen genannten, die tatsäch­lich neue Klang­schöp­fungen darstellten. Enno Poppes Schreib­weise des konti­nu­ier­li­chen In-Bewe­gung-Seins hat etwas sehr Beson­deres. Es gibt in dem Stück keinen einzigen Klang, der dort verharrt, wo er beginnt.

Tabea Zimmermann

»Alle Versuche, bei Enno Poppe eine Sicher­heit auf dem Griff­brett zu , muss man aufgeben.«

Entweder man rutscht in eine Note rein oder von einer weg, und man fühlt sich wie ein Akrobat unter der Zirkus­kuppel, der ständig von einem Punkt zum anderen fliegt, während des Fluges aber weitere Punkte genau treffen muss. Das erfor­dert eine völlig andere Spiel­technik. Alle Versuche, die man unter­nimmt, um eine Sicher­heit auf dem Griff­brett zu erlangen, muss man aufgeben. Diese Klang­vor­stel­lung lässt sich nur über das Gehör steuern.

Nun spielen Sie Neue Musik und klas­si­sche Musik. Im Augen­blick erreiche ich Sie auf der BTHVN Woche in . Wenn Sie die Strecke in umge­kehrter Rich­tung zurück­legen: Wie viel von der Neuen Musik ist bereits bei Beet­hoven ange­legt?
Diese Bezie­hung besteht für mich. Aufgrund meiner Erfah­rungen mit der Neuen Musik höre und spiele ich Beet­hoven heute anders. Ich sehe ihn weniger als Fort­füh­rung der Klassik, aus der er kam und deren Kompo­si­ti­ons­tech­niken er studierte. Er war seiner Zeit so weit voraus, hat in seinen Parti­turen Neues auspro­biert und sich gegen die Konven­tionen aufge­lehnt. Wenn man ihn von der Neuen Musik aus in den Blick nimmt, versteht man ihn viel besser und traut sich, die Akzente anders zu setzen, als wenn man von Hummel oder einem anderen Zeit­ge­nossen auf ihn schaut.

Tabea Zimmermann

»Einige von Beet­ho­vens Werken bleiben mir ein Rätsel.«

Einige seiner Werke bleiben mir aller­dings ein Rätsel. Mit Begeis­te­rung verfolge ich, wie er mit kleinen Elementen ein großes neues Element entwi­ckelt, wie er aus einer Schluss­floskel ein ganzes Thema gestaltet und wie er mit Humor und witzigen Über­ra­schungen hantiert, indem er eine Erwar­tung aufbaut und dann nicht bedient. Aber mit der Großen Fuge kann ich bis heute nichts anfangen. Die Masse an lauten, fortis­simo geschrie­benen starken Punk­tie­rungen löst bei mir nach kurzer Zeit geis­tige Erschöp­fung aus.

Widmet sich mit Engagement dem Unterrichten: Tabea Zimmermann
Enga­giert auch im Unter­richten und seit 2002 Profes­sorin an der Hoch­schule für Musik „“ in Berlin: Tabea Zimmer­mann
(Foto: Rui Camilo / EvS Musik­stif­tung) 

Sie sind auch enga­giert im Unter­richten, zunächst in und . Und seit 2002 haben Sie eine Professur an der Hoch­schule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. Wie beur­teilen Sie die Bereit­schaft der jungen Musiker, sich mit zeit­ge­nös­si­scher Musik zu befassen?
Das ist für mich als Lehrerin eine schwie­rige Frage. Denn obwohl ich selbst viel zeit­ge­nös­si­sche Musik spiele, komme ich mit meinen Studenten kaum dazu, mich damit zu beschäf­tigen. Wenn man ein Instru­ment studiert, muss man erst durch die gesamte Musik­ge­schichte, bis man im Heute ankommt. Ich fände es auch nicht richtig, einem Studie­renden Aufgaben zu stellen, für deren Bewäl­ti­gung ihm noch die Bausteine fehlen.

Tabea Zimmermann
Möchte ihren Schü­lern Denk­weisen und Methode vermit­teln, mit denen sie noch lange selbst weiter­ar­beiten können: Tabea Zimmer­mann
(Foto: Rui Camilo / EvS Musik­stif­tung) 

Zugleich sehe ich meine Verant­wor­tung, den jungen Menschen die zeit­ge­nös­si­sche Musik nahe zu bringen. Ich kämpfe da mit mir selbst. Was ich mich bemühe, meinen Studie­renden mitzu­geben, ist die Einstel­lung, dass Musiker zu sein bedeutet, immer weiter zu suchen und zu lernen. Ich möchte ihnen Denk­weisen und Methode vermit­teln, mit denen sie noch lange selbst weiter­ar­beiten können. Es geht mir nicht um das beste Hand­werks­zeug für ein Probe­spiel. Und wenn es gut läuft, suchen viele auch gar nicht den Weg in das nächst­beste Orchester, sondern halten sich eine ganze Zeit­lang frei­be­ruf­lich über Wasser, um wert­volle Erfah­rungen zu sammeln.

Tabea Zimmermann

»Zum Glück haben wir in in den städ­ti­schen Orches­tern noch subven­tio­nierte Kultur.«

Sehen Sie die Chance, dass zeit­ge­nös­si­sche Musik in den Kanon allge­meiner Konzert­pro­gramme Eingang findet?
Wir müssen unter­scheiden zwischen öffent­lich subven­tionierten und privaten Veran­stal­tern, die mehr auf den Gewinn zielen. Da sehen Sie, wer zum Risiko bereit ist. Das schlech­teste Beispiel für mich ist die Konzert­di­rek­tion Adler in Berlin. Als ich mit meinem Arcanto-Quar­tett von ihr enga­giert wurde, und wir ein Bartók-Streich­quar­tett aufs Programm setzen wollten, hieß es, das könnten wir tun, wenn wir die Gema-Gebühren selbst bezahlten.

Empört über Veranstalter, die die Kosten für die Neue Musik an die Interpreten weitergeben: Tabea Zimmermann
Empört über einen Veran­stalter, der die Kosten für zeit­ge­nös­si­sche Musik an die Künstler weiter­gibt: Tabea Zimmer­mann 
(Foto: Rui Camilo / EvS Musik­stif­tung) 

Das habe ich noch bei keinem Veran­stalter je erlebt, dass er die Kosten für zeit­ge­nös­si­sche Musik an die Künstler weiter­reicht. Zum Glück haben wir in Deutsch­land in den öffent­li­chen Stadt­thea­tern und städ­ti­schen Orches­tern noch subven­tio­nierte Kultur. Und ich wünsche mir, dass diese Einrich­tungen ihre Aufgabe auch weiterhin darin sehen, die gesamte Band­breite der Musik zu ermög­li­chen.

Der Markt für Tonträger befindet sich seit Jahren im Umbruch. Sie haben rund 50 CDs aufge­nommen, aller­dings zu weiten Teilen mit Werken, die zum ersten Mal einge­spielt wurden. Damit kommt ihnen ein beson­derer Wert zu. Aber welche Bedeu­tung messen Sie der CD zu?
Als Künst­lerin finde ich Aufnahmen wichtig. Das detail­lierte Bear­beiten und das Abhören im Studio, gefolgt von Über­le­gungen, was man verbes­sern kann, sind ein wich­tiger Teil der Beschäf­ti­gung mit einer Kompo­si­tion.

Ich arbeite mit dem kleinen Label Myrios Clas­sics von Stephan Cahen zusammen. Es steht für eine heraus­ra­gende Qualität, und nach der Mühe einer Urauf­füh­rung freut es mich, das Ergebnis doku­men­tiert zu sehen. Ansonsten sind CDs Lieb­haber-Produkte. Keine hat sich so oft verkauft, dass ich damit etwas verdient hätte.

Tabea Zimmermann

»Ich säge gerne an allen Stühlen von allen Chef­di­ri­genten, vor allem wenn sie auch noch Inten­danten sind.«

Entschieden haben Sie sich gegen die patri­ar­cha­li­schen Struk­turen in der Musik ausge­spro­chen. „Musik und Macht passen nicht zusammen“, betonten Sie. Ist dieser herr­schende Diri­gent ein über­kom­menes Erbe aus dem 19. Jahr­hun­dert?
Das würde ich so sehen. Ich säge gerne an allen Stühlen von allen Chef­di­ri­genten, vor allem wenn sie auch noch Inten­danten sind. Dieses Doppel­mo­dell, dass eine Person für die musi­ka­li­schen und perso­nellen Fragen zuständig ist, finde ich beson­ders schlimm.

Ich würde es begrüßen, wenn Diri­genten und hoffent­lich auch mehr Diri­gen­tinnen ausschließ­lich für die künst­le­ri­sche Arbeit unter Vertrag genommen werden und zwar für einen begrenzten Zeit­raum. Es ist durchaus nichts dagegen einzu­wenden, wenn ein älterer Musiker sich als Diri­gent einbringen will. Als Gast­di­ri­gent kann er für ein Orchester eine Berei­che­rung sein. Aber als Chef­di­ri­genten muss man 80-Jährige nicht mehr verpflichten.

Das Ensemble Resonanz, bei dem Tabea Zimmermann Composer in Residence war
Demo­kra­tisch orga­ni­siert und ein Vorbild: das  
(Foto: Tobias Schult)

Forma­tionen der Neuen Musik wie das oder das Ensemble Reso­nanz sind demo­kra­tisch orga­ni­siert. Können sie ein Vorbild abgeben?
Absolut. Darum arbeite ich so gerne mit ihnen. Die beiden Jahre als Artist in Resi­dence beim Ensemble Reso­nanz waren für mich eine wunder­bare Zeit. Ich konnte erleben, dass es diese idea­lis­ti­schen Menschen tatsäch­lich gibt, die sich bei leider immer noch schlechter Bezah­lung für eine fantas­ti­sche Qualität enga­gieren und einen Riesen­auf­wand betreiben, um Entschei­dungen auf demo­kra­ti­schem Weg herbei­zu­führen und ihre Insti­tu­tion frei von Macht­ver­hält­nissen zu halten. Das Ensemble agiert wie ein Koope­rativ, und es ist so schön, diese leben­dige Form zu sehen.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie Auffüh­rungen leiten?
Wichtig ist für mich, dass ich das als Mitspie­lerin tue. Durch eine gemein­same Spiel­erfah­rung, einen gemein­samen rhyth­mi­schen Puls und ein gemein­sames Atmen stehe ich zu den anderen Musi­kern in einer Verbin­dung, die das gegen­sei­tige Aufnehmen von Impulsen ermög­licht. Ich biete meine Sicht an. Aber ich stelle sie auch zur Diskus­sion und greife Anre­gungen auf. Und von Probe zu Probe nehme ich mich weiter zurück, sodass beim Konzert der Eindruck entsteht, die Gruppe spielt von allein.

Tabea Zimmermann

»Es ist mein Wunsch, etwas von dem, wovon ich selbst profi­tiert habe, an die Gesell­schaft zurück­zu­geben.«

In einem Rund­funk-Inter­view sagten Sie, dass Sie erwägen, mit dem Preis­geld eine Stif­tung ins Leben zu rufen…
Die formale Grün­dung ist noch nicht erfolgt. Mit dem Rechts­an­walt arbeite ich an der Satzung. Ich komme aus einem einfa­chen fami­liären Umfeld. Meine Eltern verfügten nicht über die Möglich­keiten, ihren Kindern eine so teure Beschäf­ti­gung wie das Musi­zieren zu finan­zieren. Durch Förde­rungen der öffent­li­chen Hand, privaten Stif­tungen und Preis­gel­dern bekam ich Unter­stüt­zung. So ist es mein Wunsch, etwas von dem, wovon ich selbst profi­tiert habe, an die Gesell­schaft zurück­zu­geben.

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Mehr zu den Preisträgern 2020 der Ernst von Siemens Musikstiftung: CRESCENDO.DE

Fotos: Marco Borggreve