Christian Gerhaher
Triste Seelenräume
14. Oktober 2021
Intrigen, Familientragödien, Machtkämpfe! Andreas Homokis Inszenierung von Giuseppe Verdis düsterer Oper „Simon Boccanegra“ mit Christian Gerhaher.
Das Filmdokument einer denkwürdigen Produktion: Verdis düsterste Oper, aufgenommen im Dezember 2020 im nahezu leeren Zürcher Opernhaus mit nicht nur dem Chor aus dem Off, sondern auch dem Orchester unter Fabio Luisi, sowie auf der Bühne mit einem Minimum an körperlicher Nähe zwischen den Akteuren – die Maßnahmen gegen die Pandemie haben es nicht anders zugelassen.
Wenn es einem Regisseur gelungen ist, diese Einschränkungen als künstlerische Absicht und Ausdrucksträger auszugeben, dann Andreas Homoki: In seiner psychologisierenden Deutung wandeln die Protagonisten auf Christian Schmidts Drehbühne durch ein Labyrinth großbürgerlicher Seelenräume, in dem Erinnerungen spuken. Christian Gerhaher ist kein typischer Verdi-Bariton, legt sich aber die Titelrolle klug zurecht und schlägt gerade daraus auch darstellerisches Kapital. Christof Fischesser orgelt dessen alte Nemesis Fiesco eindrücklich, dem jüngeren Gegenspieler Paolo gibt Nicholas Brownlee Profil. Jennifer Rowley singt die Amelia differenziert, aber auch mit üppigem Vibrato; Otar Jorjikia lässt als Gabriele stimmliche Probleme hören. Luisi heizt auch aus der Entfernung das Musikdrama prägnant an. Ein starkes, finsteres Gesamtkunstwerk.