Appell der künstlerischen Ensembles

„Wir wollen spielen. Wir müssen spielen!“

von Ruth Renée Reif

27. Oktober 2020

Bayerische Theaterensembles appellieren an Politiker, Kulturveranstaltungen nicht zu verbieten. Theater seien geschützte Räume und Zuschauerräume sicherer als viele andere Orte der Begegnung. Eine verhältnismäßige Prüfung der Einrichtungen solle erfolgen. Die Ensembles fordern die Politik auf, ein Zeichen für die Bevölkerung zu setzen und die Kunsträume offen und somit am Leben zu halten.

Nachdem, wie in der CRESCENDO Klas­sik­Woche berichtet, die baye­ri­schen Inten­dan­tInnen von Staats­oper, Resi­denz­theater, , und Münchner Volks­theater sowie Gasteig, Thea­ter­aka­demie und Lust­spiel­haus (stell­ver­tre­tend für die freie Szene), außerdem die Inten­danten der Staats­theater und eine gemein­same Erklä­rung abgaben, folgen nun auch die Ensem­bles mit einem Appell.

Nach­fol­gend der Text des Schrei­bens in vollem Wort­laut.

Sehr geehrter Herr Minis­ter­prä­si­dent Söder,
Sehr geehrter Herr Staats­mi­nister Sibler,
Sehr geehrter Herr Ober­bür­ger­meister Reiter,
Sehr geehrter Herr Kultur­re­fe­rent Biebl,

wir sind die künst­le­ri­schen Ensem­bles des Baye­ri­schen Staats­schau­spiels, der Münchner Kammer­spiele, des Gärt­ner­platz­thea­ters, des Münchner Volks­thea­ters, der Schau­burg sowie der Baye­ri­schen Staats­oper. Wir müssen zur derzei­tigen Lage Stel­lung beziehen und wenden uns mit einem dring­li­chen Appell an Sie.

Theater ist wichtig!

Wir alle nehmen die Corona-Pandemie und den damit verbun­denen Wunsch, Maßnahmen einzu­leiten, sehr ernst. Die Dring­lich­keit der Lage ist uns bewusst. Die baye­ri­schen Theater haben sich in den letzten Monaten bereit­willig enga­giert, gewis­sen­hafte und bewährte Hygie­ne­kon­zepte auszu­ar­beiten und vorzu­legen. Zuschau­er­räume sind durch konti­nu­ier­liche Belüf­tung und die Hygie­ne­kon­zepte sicherer als viele andere Orte der Begeg­nung. Es gibt keine belast­baren Zahlen, die sugge­rieren, dass Theater Super-Spreader-Ereig­nisse provo­ziert hätten. Wir fordern die Politik auf, diese Tatsache zur Kenntnis zu nehmen. Es muss endlich eine Debatte statt­finden.

Theater sind geschützte Räume, in denen soziale und künst­le­ri­sche Begeg­nungen statt­finden. Wir verstehen es als unsere Pflicht, unsere Kunst, die eine darstel­lende ist, weiter auszu­üben.

Wir vertrauen auf die Risi­ko­ein­schät­zungen der Exper­tInnen und fordern eine verhält­nis­mä­ßige Prüfung der jewei­ligen Einrich­tungen. Es kann nicht darum gehen, möglichst viele Einrich­tungen zu schließen, sondern im Gegen­teil: möglichst viele Einrich­tungen offen und somit am Leben zu halten, zumal sie sich bewährt haben – sogar in wissen­schaft­li­cher Hinsicht. Kultu­relle Veran­stal­tungen zu unter­sagen, halten wir für falsch. Sie igno­rieren damit die Maßnahmen, die die baye­ri­schen Theater seit Monaten einhalten, um einen Zuschau­er­be­trieb zu ermög­li­chen.

Wir wollen spielen. Wir müssen spielen! Die Mitar­bei­te­rInnen der baye­ri­schen Theater haben bewiesen, dass wir mit der derzei­tigen Lage profes­sio­nell und künst­le­risch wert­voll umgehen können. Unsere Zuschaue­rInnen halten sich an all jene Regeln, die auch im Einzel­handel, der Gastro­nomie, den Schulen und den Land­tagen gelten.

Lassen Sie uns die Menschen in diesen schweren Zeiten weiterhin mit einem viel­fäl­tigen Kultur­angebot versorgen – und sei es nur für die Dauer eines Abends. Setzen Sie ein Zeichen für die Bevöl­ke­rung, dass Ihnen unsere Theater und unser Publikum am Herzen liegen. Wir haben ein Recht auf Kunst­räume.

Auf die gesell­schaft­liche Lage kreativ zu reagieren und Denk­an­stöße anzu­bieten, ist unsere Kunst. Eine Kunst, die in diesen Zeiten Halt geben kann und muss.

Herz­liche Grüße und bleiben Sie gesund.

Das Ensemble des Baye­ri­schen Staats­schau­spiels (Resi­denz­theater)
Das Ensemble der Münchner Kammer­spiele
Das Ensemble des Gärt­ner­platz­thea­ters
Das Ensemble des Münchner Volks­thea­ters
Das Ensemble der Schau­burg
Das Ensemble und die Solisten der Baye­ri­schen Staats­oper