KlassikWoche 11/2021

Von Theater-Öffnungen, Opern-Neubauten und Nachtritten

von Axel Brüggemann

15. März 2021

Ein Pilot-Projekt mit Kirill Petrenko, Serge Dorny als neuer Intendant der Bayerischen Staatsoper, eine neue Oper von Daniel Behle

Will­kommen in der neuen Klas­sik­Woche,

heute geht es unter anderem um die große Hoff­nung auf Theater-Öffnungen, um das Nach­treten in und den Opern-Neubau in  

ÖFFNUNGS-HOFF­NUNGEN

So langsam zeichnet sich ein Ende des Kultur-Lock­downs ab. Die und nehmen an einem Pilot-Projekt in Berlin teil: Am 20. März 2021 um 19 Uhr soll ein Konzert vor 1.000 Zuhö­re­rinnen und Zuhö­rern gegeben werden. Eine Möglich­keit, um zu erproben, unter welchen Bedin­gungen Konzerte und andere Kultur­ver­an­stal­tungen in näherer Zukunft trotz höherer Inzi­denz­zahlen möglich sein könnten – eine Hoff­nung liegt auf den Antigen-Tests. Die Tests werden in Partner-Test­zen­tren oder direkt in der Phil­har­monie vorge­nommen und sind für die Konzert­gäste kostenlos. 

Neuig­keiten auch aus Bayern: Vom 23. März an, hoffen Politik, Kultur und Publikum, soll wieder vor Publikum gespielt werden – mit Tests beim Publikum. Wie sie abge­wi­ckelt und wer sie vornehmen soll – darüber besteht noch keine Klar­heit. Die in will mit dem „Rosen­ka­va­lier“, das Volks­theater mit „Macbeth“ eröffnen. Der Sänger und seine Initia­tive „Aufstehen für die Kulturreichen derweil Verfas­sungs­klage beim Baye­ri­schen Verfas­sungs­ge­richt ein, halten den geplanten Eilan­trag an das Verwal­tungs­ge­richt aller­dings vorerst zurück. 

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Und auch inter­na­tional soll es wieder losgehen: Das in Covent Garden will die Türen am 17. Mai wieder öffnen. Die Opern­fest­spiele in planen unter anderem eine „Aida“ mit . Nicht ganz so gut sieht es an der Mailänder Scala aus: In den vergan­genen Tagen wurden 45 Mitar­bei­tende am Teatro alla Scala positiv auf Covid-19 getestet. Der desi­gnierte Inten­dant wendet sich nun an die italie­ni­sche Regie­rung. Seine Forde­rung: Alle Künst­le­rinnen und Künstler an italie­ni­schen Thea­tern sollen schnellst­mög­lich geimpft werden. Und auch an der MET in wird es wohl lang­fris­tige Probleme geben: Immer mehr Spon­soren kriti­sieren den Umgang von Inten­dant Peter Gelb mit seinem Orchester und drohen, sich zurück­zu­ziehen. 

NACH­GE­TRETEN IN BAYREUTH

Katharina Wagner und der Geschäftsführer Holger von Berg vor seinem Ausscheiden

Die Frage, wie stil­voll es ist, den Arbeit­geber nur wenige Tage nach dem eigenen Ausscheiden öffent­lich zu diskre­di­tieren, scheint sich der Geschäfts­führer der , Holger von Berg, nicht gestellt zu haben. Diese Woche gab er dem Bayreu­ther Kurier ein großes Inter­view, in dem er unter anderem das Arbeits­klima bei den Fest­spielen kriti­sierte, die aktu­ellen Programm-Pläne (etwa den „Ring“ zu verschieben) und die Perso­nal­po­litik von . Die Fest­spiele konterten entspannt in einer Stel­lung­nahme von Pres­se­spre­cher Hubertus Herr­mann: Die Verschie­bung des „Ringes“ hätte in erster Linie mit den Termin­plänen von Sänge­rinnen und Sängern zu tun und mit der nötigen Proben­zeit, und über­haupt: Man freue sich bereits auf die Zusam­men­ar­beit mit von Bergs Nach­folger, Ulrich Jagels, und wünsche sich, dass sich dann auch das Betriebs­klima wieder zum Guten entwi­ckele – „so wie es vor fünf Jahren war.“ Bämmm!

Und wie geht es nun weiter für Holger von Berg? Immer wieder ist das Gerücht zu hören, dass er in (am Hause unseres Freundes Kai-Uwe Laufen­berg (jaha!)) anheuern wird, es aber eine juris­ti­sche Ausein­an­der­set­zung mit einer Mitbe­wer­berin gäbe. Doch nun sei – so wird gemun­kelt – ein „work-around“ gefunden worden, und Berg könne am 1. April in Wies­baden beginnen. Ich habe diesen Freitag beim Theater in Wies­baden nach­ge­fragt. Dort wurde meine These weder demen­tiert noch bestä­tigt, und ich wurde an das Minis­te­rium verwiesen. Auf meine Verwun­de­rung, dass es merk­würdig sei, wenn das Theater nicht wisse, wer neuer Geschäfts­führer würde, bekam ich die Antwort: „Die Stelle wird vom Hessi­schen Minis­te­rium für Wissen­schaft und Kunst besetzt und deswegen kann zur Zeit auch nur das HMWK die Frage nach dem Geschäfts­füh­renden Direktor beant­worten. Das Theater kann dem HMWK nicht vorgreifen.“ Das Minis­te­rium war am Frei­tag­nach­mittag nicht mehr zu errei­chen. Aber es ist davon auszu­gehen, dass wir in der nächsten Klas­sik­Woche mehr Klar­heit haben. Bleibt offen, ob all das – so oder so – ein April­scherz ist oder ob sich das Hessi­sche Minis­te­rium da gerade selber ein Oster-Ei legt. 

PUBLI­KUMS­BE­SCHIMP­FUNG

Und dann war da noch der Debatten-Einwurf von Jens Fischer Rodrian, dem Krea­tiv­di­rektor der Blue Man Group. Er kriti­sierte die Corona-Maßnahmen massiv und holte nun zum großen Rund­um­schlag aus – in erster Linie gegen das eigene Publikum. Seine Argu­men­ta­tion: Ein Groß­teil der Künst­le­rInnen schweige aus Angst, das Publikum zu verlieren. Rodrian schreibt an das Publikum: „Viel­leicht würdet Ihr ihnen helfen, sich aus der Deckung zu wagen, wenn Ihr zeigt, dass Ihr ihnen treu bleibt. Sie haben in ihrer Angst, Euch zu enttäu­schen, eines über­sehen: Man kann sein Publikum auch verlieren, wenn man schweigt. Jetzt geht es um Euch, liebes Publikum. Und ganz ehrlich, auch wenn Ihr mir das übel nehmen werdet: Ich bin, gelinde gesagt, enttäuscht—zumindest von einem Teil von Euch. Sind wir nichts anderes als Pausen­clowns, die zwar das Leben stimu­lieren, wenn sie da sind, aber nicht wirk­lich fehlen, wenn sie weg sind?“ Ich persön­lich bin nicht sicher, ob es perspek­ti­visch klug ist, zu vergessen, dass auch ein Groß­teil des Publi­kums von Corona betroffen ist und ihm viel­leicht selber das Wasser bis zum Halse steht. Wann haben sich eigent­lich die Künst­le­rInnen für die Frisö­rInnen einge­setzt? Für mich bleibt das beste Mittel, für die Kunst zu werben die Begeis­te­rung der Kunst selber. 

BÜRGER­ENT­SCHEID ÜBER OPER IN DÜSSEL­DORF?

Bereits in der letzten Woche haben wir berichtet, dass Düssel­dorf eine neue Oper bekommen soll. Der WDR meldete diese Woche, dass Ober­bür­ger­meister Stephan Keller die Kosten für den Neubau auf mindes­tens 636 Millionen Euro schätze. Und allmäh­lich kris­tal­li­sieren sich auch erste konkrete Punkte heraus, wie Patrick Bahners in der Frank­furter Allge­meinen berichtet: „Keine Präfe­renz gab (Bürger­meister) Keller in der Frage zu erkennen, ob die neue Oper am alten Ort gegen­über der Kunst­samm­lung NRW oder an anderer Stelle errichtet werden soll. Aller­dings bekannte sich der Ober­bür­ger­meister zur Innen­stadt. Der gele­gent­lich vorge­schla­gene Hafen würde damit ausscheiden, und der Radius der Grund­stücks­suche wäre von vorn­herein enger gezogen als etwa beim Konzert­saal in München. Einen Bürger­ent­scheid über den Standort schloss Keller nicht aus, er gab aber zu verstehen, dass der Stadtrat, der sich über die den Bürgern vorzu­le­gende Frage verstän­digen müsste, die Sache auch gleich selbst entscheiden könnte.“

PERSO­NA­LIEN DER WOCHE

Otto Schenk nimmt seinen endgültigen Abschied von der Bühne.

Öster­reichs Regie- und Schau­spiel­le­gende nimmt endgültig Abschied von der Bühne: „Ich kann ja nicht mehr gehen. Auf der Bühne muss man sich bewegen können, und das kann ich rein physisch nicht mehr. Nur noch hoppeln.“ Sein Auftritt in Tschechows „Kirsch­garten“ war der wohl letzte, erklärte Schenk der Zeit­schrift News. +++ Im September über­nimmt die Baye­ri­sche Staats­oper. Bis dahin muss er sich noch mit „ »Anti-Opern-Ideo­logen“ herum­schlagen: Die Linken im Stadtrat von Lyon haben ihm die Zuschüsse um 500.000 Euro gekürzt und wollen lieber die freie Szene unter­stützen. Das braucht Dorny in München nicht zu befürchten. Aber auch hier scheint es bereits erste Anfangs-Debatten mit seinem zukünf­tigen Team über die Ausrich­tung des Hauses zu geben.

Wie schafft man es, sich von Corona nicht unter­kriegen zu lassen?
Arnt Cobbers fragt nach. Bei Nabil Shehata, , und

+++ „Wenn ein welt­weit gefei­erter Tenor eine Operette mit dem Titel ‚Hopfen und Malz‘ kompo­niert, dann ist die Opern­welt nicht verloren, sondern dann treibt der Lock­down seine schönsten Blüten“, schreibt Chris­tian Berzins u.a. in der „Aargauer Zeitung“ in einem lesens­werten Porträt über den Sänger (und nun auch Operetten-Kompo­nisten) . Was es mit der neuen Operette auf sich hat, ist auch hier zu lesen. +++ Die Bühnen der Stadt müssen um 15 Millionen Euro bangen: Sie haben ihr Geld bei der kriselnden Greensill Bank ange­legt, die mit hohen Zinsen geworben hatte. „Speku­lativ“ sei die Anlage nicht gewesen, so Geschäfts­führer Patrick Wasser­bauernun droht eine Finanz-Kata­strophe. +++ Der Theo­loge und Orga­nist ist im Alter von 79 Jahren verstorben, wie das Stadt­de­kanat Bonn mitteilte.

WO BLEIBT DAS GUTE, HERR BRÜG­GE­MANN

Nun, ich habe diese Woche unser vorerst letztes Wohn­zimmer-Konzert in genossen: Lassen Sie sich von und in die Welt der Vier letzten Lieder entführen.

In diesem Sinne: Halten Sie die Ohren steif!

Ihr

brueggemann@​crescendo.​de