KunstFestSpiele Herrenhausen
Die keineswegs beendete Geschichte
von Ruth Renée Reif
7. Mai 2021
Die KunstFestSpiele Herrenhausen werden um eine Woche verlängert und beginnen in der Hoffnung auf Live-Veranstaltungen am 13. Mai 2021 mit einem digitalen Programm.
Eine Rotte präparierter Wildtiere agiert als Protagonisten in dem Musical The Sea Between My Soul. Raed Yassin, der als bildender sowie Video- und Klangkünstler arbeitet, erinnert damit an die Katastrophe der bei ihrer Flucht im Mittelmeer ertrunkenen Menschen. Die Tiere besingen die lange und keineswegs beendete Geschichte der Todesfälle. Mit der Aufzeichnung des Musicals, das im Schauspielhaus Hannover zur Uraufführung hätte kommen sollen, beginnen die KunstFestSpiele Herrenhausen ihre 12. Ausgabe zunächst digital. In der Hoffnung, auch Live-Veranstaltungen durchführen zu können, finden sie eine Woche länger statt.
Zur Eröffnung des elftägigen Bühnenfestivals sollen der Schauspieler David Benennt und die Pianisten Neus Estarellas, Hermann Kretzschmar, Sophie Patey und Ueli Wiget vom Ensemble Modern das szenische Konzert Liberté d’Action auf die Bühne bringen. Heiner Goebbels setzt sich darin mit den Drogenexperimenten und dem unbewussten Schreiben von Henri Michaux auseinander. Dieser reiste in seinen Texten in ferne und imaginäre Welten, die er als verborgene Möglichkeiten der Wirklichkeit verstand. Darum war es ihm auch in seinen Drogenexperimenten zu tun, die er 1955 begann und deren Ergebnisse er literarisch und grafisch verarbeitete. Die halluzinogenen Drogen – Mescalin, Haschisch, LSD und Psilocybin – sollten ihm Erkenntnisse über die Natur des menschlichen Geistes verschaffen.
„Wir geben Ihnen den Hammer, den Rest machen Sie selbst“, lautet die Einladung der Performance-Künstlerin Kate McIntosh zu der Selbsterfahrung mit Alltagsgegenständen Worktable. Unter dem Titel The Mountain bricht die Agrupación Señor Serrano zu einer Erkundungstour zur Wahrheit auf und begegnet dabei dem britischen Bergsteiger George Mallory ebenso wie Orson Welles und Wladimir Putin. Und in der musikalisch-theatralen Séance Van Eyck Diagrams betrachtet das Vokalensemble Graindelavoix unter seinem künstlerischen Leiter Björn Schmelzer das Werk des mittelalterlichen Malers Jan van Eyck durch den Blick des „Kunsthistorikers Gerard van den Acker“.
Im Rahmen des Konzertprogramms spielen die Geigerin Patricia Kopatchinskaja und der Klarinettist Reto Bieri Kompositionen von Giuseppe Giamberti, Erwin Schulhoff, Leo Dick, Patkop, Claude Vivier, Tahsin Incirci, Boris Yoffe, Otto M. Zykan, Marton Illes, Darius Milhaud u.a. sowie ein neues Werk von Kopatchinskaja selbst. Pierre-Laurent und Tamara Stefanovich widmen sich an zwei Klavieren Werken von Harrison Birtwistle und Béla Bartók. Der Klang- und Videokünstler Ryoji Ikeda erarbeitet für Les Percussions de Strasbourg eine neue Version von But what about the noise of crumpling paper, zu dem John Cage sich von den Geräuschen zerknüllten Papiers anregen ließ. Und Ingo Metzmacher, der Intendant der Festspiele, setzt sich ans Klavier und begleitet den Bariton Georg Nigl bei einem Liederabend mit Werken von Franz Schubert und Wolfgang Rihm.
Weitere Informationen zu den digitalen und live geplanten Veranstaltungen der KunstFestSpiele Herrenhausen 2021 unter: kunstfestspiele.de