Murray Perahia
Der Geist der Musik
von Ruth Renée Reif
20. April 2022
Den Werken von Bach, Mozart und Beethoven widmete er sein Leben. Der Pianist Murray Perahia liebt es, große Musik zu spielen. Am 19. April 2022 wird er 75.
„Musik ist mein Leben“, sagt Murray Perahia. Das eigene musikalische Erleben ist dem amerikanischen Pianisten wichtiger als Erfolg und Applaus beim Publikum. Vor allem aber ist es das Klavier, das sein Leben bestimmt: „Ich liebe das Klavier. Ich liebe es als Instrument. Ich muss es berühren, um authentisch zu sein.“
Perahia hat allen Grund zu dieser beschwörenden Aussage. Mehrmals hinderte ihn eine vermeintlich harmlose Verletzung des Daumens, die eine Infektion nach sich zog, für längere Zeit am Spielen, schmerzvolle Jahre, in denen er unter Depressionen litt und ihm nur die Musik Halt gab. Es ist die „große Musik“, der Perahia sein Leben widmet. „Große Musik ist ein Ganzes, ist vollendet“, betont er. Für ihn sei es essenziell, dass ein Musikstück organisch zusammengefügt sei, Anfang und Ende aufeinander bezogen seien und alles Teil eines Ganzen sei, ein menschliches Drama, das aus Spannungen und Entspannungen gespeist werde.
„Ich liebe es, große Musik zu spielen.“ Herausragend sind seine Aufnahmen mit Werken von Bach, Mozart, Beethoven, Schumann und Chopin. „Bach ist für mich einer der wichtigsten Komponisten“, bekennt Perahia. „Er integrierte in seinen Werken alle Stile der Zeit, sowohl die kontrapunktischen als auch die aufkommende Harmonie. Die von ihm aufgestellten kompositorischen Prinzipien übten über seine Söhne wesentlichen Einfluss auf Haydn, Mozart und Beethoven aus.“ Sein Schlüsselerlebnis hatte er mit dreieinhalb Jahren, als ihn sein Vater zu einem Konzert mit Beethovens Fünftem Klavierkonzert mitnahm.
„Musik muss lebendig sein.“
Perahia wurde 1947 in New York geboren. Seine Eltern waren aus Griechenland eingewandert und entstammten sephardischen Familien. Den ersten Klavierunterricht erhielt Perahia mit drei Jahren. Im Alter von sechs Jahren wurde er Abran Chasins vorgestellt, der ihn von seiner Assistentin Jeanette Haien unterrichten ließ. 1964 schrieb er sich im Mannes College of Music in Manhattan ein und ließ sich bei Karl Bamberger in Orchesterleitung unterrichten. Daneben studierte er Kammermusik bei Artur Balsam in Maine. 1966 debütierte er mit einem Soloprogramm in der Carnegie Hall. Danach wurde er von Peter Serkin, dem Sohn des berühmten Pianisten, zum Marlboro-Musikfestival in Vermont eingeladen. Dort hatte er die Gelegenheit mit Rudolf Serkin, Alexander Schneider, Pablo Casals, Boris Kroyt und Mieczysław Horszowski Kammermusik aufzuführen.
Später arbeitete er mit Wladimir Horowitz zusammen, eine prägende Erfahrung. „Horowitz kümmerte sich nie um technische Perfektion. Ich erinnere mich, wie ich einmal die Ungarische Rhapsodie von Liszt für ihn spielte. Er war mit meinem Vortrag gar nicht zufrieden, setzte sich ans Klavier und spielte mir das Stück vor. Dabei unterliefen ihm 1000 Fehler, aber er fing genau den Geist der Musik ein“, erzählte Perahia. „Für mich ist der Geist der Musik, der das Spiel leitet, wichtiger als ein makelloser Vortrag. Die Musik muss lebendig sein.“
1972 gewann Perahia als erster amerikanischer Pianist den Klavierwettbewerb von Leeds und trat in der Folge mit den wichtigsten Orchestern Londons auf. Er arbeitete mit Peter Pears und Clifford Curzon zusammen und brachte die Zwölf Variationen von Benjamin Britten zur Uraufführung. Auch unternahm er ausgedehnte Konzertreisen. Leonard Bernstein, Riccardo Muti, Georg Solti, Rafael Kubelik, Claudio Abbado, Neville Marriner und Karl Böhm luden ihn zu Konzerten ein.