AJ Glueckert (Walther von Stolzing; links in weißem Anzug) sowie die Meister (auf den Stühlen) und die Lehrbuben (darunter) in "Die Meistersinger von Nürnberg", Oper Frankfurt 2022

News | 06.11.2022

„Meis­ter­singer“ in Frank­furt als Sommernachts(alb)traum

von Redaktion Nachrichten

6. November 2022

Regisseur Johannes Erath verleiht Wagners "Die Meistersinger von Nürnberg" mit Samuel Beckett Zügen des absurden Theaters und arrangierte das Sängerpaar Hans Sachs und Stadtschreiber Sixtus Beckmesser als Verwandte von Estragon und Wladimir. Die Inszenierung in der Oper Frankfurt erhielt großen Jubel.

Großen Jubel erntete Regis­seur , der in Wagners einziger komi­scher Oper „Die Meis­ter­singer von Nürn­berg“ am Sonn­tag­abend nicht nur Paral­lelen zu Mendelssohns/​Shakespeares „Ein Sommer­nachts­traum“ entdeckte, sondern ihm auch mit Züge des absurden Thea­ters verlieh. So arran­gierte er das Sänger­paar Hans Sachs und Stadt­schreiber Sixtus Beck­messer als Verwandte von Estragon und Wladimir, die untrennbar mitein­ander in Hass, Zunei­gung und Abhän­gig­keit verbunden sind.

"Die Meistersinger von Nürnberg"

„Die Meis­ter­singer von Nürn­berg“

Als Zauber­kreisel erwies sich die in unzäh­lige Ansichten aufspalt­bare Dreh­bühne Kaspar Glar­ners, der für die Meis­ter­singer-Gilde je nach aktu­eller Macht­stel­lung aussa­ge­kräf­tige Stühle konstru­ierte: Von den meter­hoch sich veren­genden Sitzen des ersten Aufzugs, die ein hartes Urteil „von oben herab“ begüns­tigen, über schlichte Holz­stühle des zweiten bis hin zu wacke­ligen Roll­stühlen im dritten Aufzug.

Gene­ral­mu­sik­di­rektor , der „Die Meis­ter­singer von Nürn­berg“ in Bayreuth fünf Jahre lang diri­gierte, betonte das kammer­spiel­artig intime von Wagners komplexen Werk und ließ die vielen poly­phonen Verwe­bungen in all ihrer chan­gie­renden Viel­fäl­tig­keit schim­mern. Ensem­ble­mit­glied Nicholas Brownlee gab als Hans Sachs ein Bayreuth-würdiges Debüt, ebenso wie Andreas Bauer Kanabas in der Rolle des Gold­schmieds Veit Pogner. Eindrück­lich in seiner mal mitleid­erre­genden, mal ulkigen Beck­messer-Eselei verwan­delte Gast­ba­riton sein Debüt in einen Triumph, während AJ Gluckert als weiße Traum­ge­stalt Walther von Stolzing stimm­lich und darstel­le­risch enttäuschte. sang eine wandel­bare, schwarz bestrapste Marlène-Magda­lene, während das Frank­furt- und Rollen­debüt der jungen Magda­lena Hinterd­o­bler als Eva noch Wünsche offen­ließ. Einmal mehr zeigte der gerade preis­ge­krönte Opern­chor unter Tilman Michael mit dem „Wach auf!“-Chor seine über­ra­gende Qualität.

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Fotos: Monika Rittershaus