Opera incognita
»Akhnaten« als installatives Welttheater
von Ruth Renée Reif
24. August 2022
Das Opernkollektiv Opera Incognita bringt Philip Glass’ Oper »Akhnaten« im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst zur Aufführung. Die Premiere ist am 27. August 2022.
Das Opernkollektiv Opera Incognita sucht in Philip Glass« Oper Akhnaten die Auseinandersetzung „mit der Hybris menschlichen Durchsetzungswillens“. Es inszeniere die Bewusstseinsströme von Glass „als großes Pandämonium menschlicher Abgründe“ und wünsche sich darüber einen „interaktiven Publikumsdiskurs“. Nicht um Bebilderung von Glass« sphärische Musik gehe es, sondern um die Schaffung eines „installativen Welttheaters“, das die ewigen gesellschaftspolitischen Strömungen, den immerwährenden Wunsch nach radikaler Veränderung und die gefährliche Sehnsucht nach neuen Führerfiguren“ in Szene setze.
Mit Akhnaten beschließt Philip Glass 1984 seine Operntrilogie, die, beginnend mit Albert Einstein und Mahatma Gandhi, Leitbilder aus der Naturwissenschaft und Religion porträtiert. Echnaton interessiert Glass als Begründer des Monotheismus im 14. Jahrhundert v.u.Z. Der Pharao der 18. Dynastie, der in altägyptischer Ikonografie als Hermaphrodit erscheint, verehrte die Sonnenscheibe Aton. Gott ist für ihn nichts als die Sonne. Ihr Licht erschafft die Welt und lässt die Wirklichkeit sichtbar werden. Durch ihre Bewegungen bringt sie die Zeit hervor.
Das Libretto verfasst Glass mit Shalom Goldman, Robert Israel und Richard Riddel. Für die Gesangstexte stützt er sich mit Goldman auf altägyptische sowie hebräische Quellen, um auf die Verbindung zur jüdisch-christlichen Tradition hinzuweisen. Mit Echnaton taucht erstmals auf, was der Ägyptologe Jan Assmann die „mosaische Unterscheidung“ nennt. Es ist die Unterscheidung zwischen wahr und falsch, die Religionen zuvor nicht kannten. Sie unterschieden zwischen heilig und profan. Mit dem Monotheismus und der Unterscheidung zwischen wahr und falsch kam die Gewalt in die Religion. Denn die Absetzung der anderen Götter musste gewaltsam durchgesetzt werden.
Als Anlass für die Münchner Aufführung von Akhnaten wählt das Opernkollektiv Opera Incognita das 200. Jubiläum der Entzifferung der Hieroglyphen durch den Sprachwissenschaftler Jean-François Champollion sowie die 200. Wiederkehr des Geburtstages von Heinrich Schliemann. Es berührt damit ein bedeutsames aktuelles Thema, das der kolonialen Raubkunst und der jahrzehntelangen Verweigerung der Rückgabe. Ob die Ruinen, in denen Schliemann mit rücksichtsloser Gewalt nach Goldschätzen grub, tatsächlich Troja waren oder auch nicht, was die Wissenschaft annimmt, seine Funde stellen in jedem Fall ein Musterbeispiel kolonialer Raubkunst dar.
Auch der Ort der Aufführung, das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst in München, wirft das jahrzehntelang verweigerte Thema der Restitution kolonialer Museumsbestände an Afrika auf. Die Sammlungen, die das Museum beherbergt, stammen unter anderem von dem Großkaufmann Daniel Dumreicher, der den bayerischen König Maximilian I. mit den antiken Schätzen beschenkte, sowie dem Botaniker Franz Wilhelm Sieber, der mit den Verkäufen der antiken Kunstwerke seine Reisen finanzierte. All die Kunstwerke fehlten den afrikanischen Staaten nach der Unabhängigkeit bei ihrer kulturellen Selbstfindung.
Ziel des Opernkollektivs Opera Incognita ist es, Opern auszuwählen, die eine szenische und musikalische Herausforderung darstellen. Die Akteure sind Absolventen der Musikhochschulen. Die musikalische Leitung des Kollektivs hat Ernst Bartmann. Die Inszenierungen übernimmt Andreas Wiedermann.
Informationen zu den weiteren Aufführung von Akhnaten durch das Opernkollektiv Opera Incognita im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst am 2., 3., 7., 9., 10. und 16. September 2022 auf der Website des Opernkollektivs: opera-incognita.de