Piet Mondrian
Die Gesamtschau des Lebens
von Ruth Renée Reif
6. März 2022
Piet Mondrian war ein Mystiker der Abstraktion und ein revolutionärer Maler. Am 7. März 2022 jährt sich sein Geburtstag zum 150. Mal. Ausstellungen geben Einblicke in sein Œuvre.
Piet Mondrian revolutionierte mit seinen abstrakten geometrischen Gemälden die Malerei. Nach jahrelanger intensiver Arbeit reduzierte er die natürlichen Formen auf konstante Formelemente und die natürlichen Farben auf die Primärfarben Rot, Gelb und Blau. Seine Vorstellungen von einem durch Abstraktion gewonnenen vertieften Ausdruck bezogen sich allerdings nicht nur auf die Kunst. Vielmehr sah er darin auch einen entscheidenden Schritt für den menschlichen Fortschritt.
Mondrian glaubte, dass die menschliche Gesellschaft sich einer idealen Ordnung entgegenbewege und es Aufgabe des Künstlers sei, diese hervorzubringen. Dann werde das neue Gleichgewicht als vitale Kraft in das Leben selbst eindringen und alle Spannungen in einem höheren und beruhigteren Gefühlszustand aufheben. So deutet der Kunsthistoriker Werner Haftmann Mondrians Bilder farbiger Quadrate als „Exerzitien“ in einem geistigen, nahezu geistlichen Sinn. Er sieht sie als „Ergebnisse der Kontemplation eines der Harmonie des Weltganzen nachsinnenden Geistes“. Es sei dieser Glaube, der Mondrian getrieben habe, seine Leinwand so lange durchzuformen, bis sie zur Ikone einer elementaren Wahrheit würde.
Geboren im niederländischen Amersfoort, besuchte Mondrian mit 20 Jahren die Rijksakademie in Amsterdam. Seine ersten Bilder waren Landschaften. Dann ging er dazu über, die Kraftlinien von Kirchen oder Bäumen in Erscheinung treten zu lassen. So entstand die Reihe der Baum-Bilder.
1911 ging Mondrian nach Paris, wo er durch den Kubismus, Fernand Léger und Pablo Picasso auf die strenge architektonische Bildgestaltung aufmerksam wurde. Der Kubismus ging ihm jedoch nicht weit genug: „Allmählich wurde mir klar, dass der Kubismus die logischen Konsequenzen seiner eigenen Entdeckungen nicht akzeptierte, er entwickelte die Abstraktion nicht bis zur äußersten Konsequenz, dem Ausdruck reiner Wirklichkeit. Ich fühlte, dass diese Wirklichkeit nur durch reine Plastiken zu erreichen war… Um reine Wirklichkeit plastisch zu gestalten, muss man die natürlichen Formen auf die konstanten Formelemente und die natürlichen Farben auf die Primärfarben reduzieren.“ (Die Begriffe „rein“ und „schön“ sind im Holländischen identisch.) Instinktiv habe er gefühlt, dass die Malerei einen neuen Weg finden müsse, um die Schönheit der Natur auszudrücken.
Während eines Besuchs bei seinen Eltern in Holland wurde Mondrian 1914 vom Beginn des Ersten Weltkriegs überrascht und konnte nicht nach Paris zurückkehren. Er zog in das Dorf Laren bei Hilversum, wo sich eine Künstlergemeinde gebildet hatte. Dort entstand die Bildfolge Das Meer. 1917 kam es mit den Künstlern Theo van Doesburg, Bart van der Leck und Georges Vantongerloo zur Gründung der Gruppe De Stijl, deren Mitglied Mondrian bis 1925 blieb. Mondrian erfuhr in dem Kreis jedoch noch eine für ihn wichtige Begegnung. Er lernte den Theosophen Mathieu Hubertus Josephus Schoenmaekers kennen. Dieser hatte eine neoplatonische Philosophie entwickelt, die er Positiven Mystizismus nannte. Wie der Kunstphilosoph Herbert Read betont, stimmten Schoenmaekers« philosophische Gedanken mit Mondrians künstlerischen Vorstellungen kongenial überein. Read mutmaßt, dass diese Begegnung Mondrian dazu motivierte, seine künstlerische Doktrin zu einer Lebensauffassung auszuweiten.
1919 kehrte Mondrian nach Paris zurück und veröffentlichte den programmatischen Text Le Neo-Plasticisme. Er malte Variationen von Farbflächen in Primärfarben unter Hinzufügung von Schwarz, Weiß und Grau, die er durch ein Rahmenwerk streng geometrisch gliederte. „Die „Die Aktion der plastischen Kunst ist nicht Raum-Ausdruck“, betonte er, „sondern vollkommene Raum-Bestimmung.“ 1931 entstand seine Komposition mit zwei Linien, die er jedoch als „zu statisch, zu monumental“ fand. So begann er, komplexere Bilder zu malen.
Der Zweite Weltkrieg zwang Mondrian, Paris zu verlassen. Er hielt sich zwei Jahre in London auf und ging 1942 nach New York. Die Stadt hatte einen großen und belebenden Einfluss auf ihn, nachdem er selbst erklärt hatte, der Neo-Plastizismus sei eine Kunst der Metropole. „Unbewusst werde jeder wirkliche Künstler immer mehr durch die Schönheit der Linien und Farben und ihre wechselseitigen Beziehungen ergriffen als durch das, was mit ihnen dargestellt wird“, schrieb er 1942 in New York. „Immer hat der Künstler sich bemüht, allein mit diesen Mitteln den Reichtum der Lebensenergien auszudrücken. Bewusst aber ging er den Formen der Gegenstände nach. Bewusst versuchte er immer, Dinge und Gefühle mittels der natürlichen Form und Technik auszudrücken… Heute ist die Kunst von allem frei geworden, was sie daran hindert, wirklich bildnerisch zu sein. Diese Befreiung ist von größter Bedeutung, denn immer war es das Ziel der Kunst, über den individuellen Ausdruck hinauszugehen und soweit möglich, die Gesamtschau des Lebens zu offenbaren.“
Aus diesem optimistischen und bejahenden Geist entstanden in New York Mondrians Boogie-Woogie-Bilder Broadway Boogie Woogie und Victory Boogie Woogie. Und in New York hatte Mondrian 1942 auch seine erste Einzelausstellung. Zwei Jahre darauf starb er.
Anlässlich seines 150. Geburtstages organisieren die Foundation Beyeler und K20 – die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf eine Ausstellung, Gezeigt wird die Entwicklung von Mondrains Arbeiten bis Ende der 1920er-Jahre sowie Werke aus seinen späteren Jahren.
Weitere Informationen zur Piet-Mondrian-Ausstellung der Foundation Beyeler in Basel vom 5. Juni bis zum 9. Oktober 2022 unter: www.fondationbeyeler.ch
Weitere Informationen zur Piet-Mondrian-Ausstellung von K20 – die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf vom 29. Oktober 2022 bis zum 12. Februar 2023 unter: www.kunstsammlung.de