„Beethoven – Welt.Bürger.Musik“

Revo­lu­tionär und Lieb­ling der adeligen Salons

von Ruth Renée Reif

15. Dezember 2019

Von 17. Dezember 2019 bis 26. April 2020 gibt es in der Bonner Bundeskunsthalle die Ausstellung „Beethoven – Welt.Bürger.Musik“ zu sehen.

War Beet­hoven Revo­lu­tionär oder poli­ti­scher Oppor­tu­nist? – lautet eine der Fragen, denen die Ausstel­lung „Beet­hoven – Welt.Bürger.Musik“ in der Bundes­kunst­halle nach­geht. Kura­tiert von Agnieszka Lulinska und , verortet sie den Künstler Beet­hoven und seine Werke in seiner Epoche und zeigt in Koope­ra­tion mit dem Beet­hoven-Haus , in welchem histo­ri­schen Umfeld Beet­hoven seine Kompo­si­tionen schuf. Dabei nimmt sie auch den kultur­his­to­ri­schen Kontext seiner Lebens- und Wirkungs­ge­schichte in den Blick.

Eine Minia­tur­bühne mit den Figuren zu Beet­ho­vens Oper „Fidelio“, wie sie in der Zeit des Bieder­meiers
in Form von Ausschnei­de­bögen verkauft wurde

(Foto: © )

Beet­hoven war beim Sturm auf die Bastille 18 Jahre alt. Er begeis­terte sich für die Ideen der Revo­lu­tion, der Forde­rung nach Gedan­ken­frei­heit, Demo­kratie und Aufklä­rung. Seine Mäzene und Gönner aber suchte er in den höchsten Adels­kreisen. Es gelang ihm, außer­ge­wöhn­liche Persön­lich­keiten für sich einzu­nehmen und ihre Unter­stüt­zung zu gewinnen. Schon seine Reise nach 1792 wurde von Graf Wald­stein bezahlt. Und die Empfeh­lungen des Grafen öffneten dem 22-jährigen Beet­hoven die Tore der Wiener Paläste und Palais. Beet­hoven wurde in Wien der Lieb­ling der Salons.

Beet­hoven liebte dieses Porträt von , das ihn mit der arka­di­schen Leier
in der Hand zeigte. Er hatte es bis zu seinem Tod bei sich.

(Foto: © Wien Museum)

Es lebten damals viele Reiche und Aris­to­kraten in Wien. Sie kamen in die Stadt, weil sie Privi­le­gien und Ämter vom Kaiser wollten oder vor der Fran­zö­si­schen Revo­lu­tion flohen. Zu Beet­ho­vens Förde­rern gehörten auch Diplo­maten wie Graf Anton Apponyi von Nagy-Apponyi oder Johann Georg von Browne, der im Dienste des zaris­ti­schen Russ­lands stand. Beet­hoven scharte viele junge Menschen um sich. , der Leiter des Quar­tetts beim Fürsten und spätere Leiter des Quar­tetts von Graf , war sechs jünger. Auch unter Beet­ho­vens Mäzenen befanden sich einige, die jünger waren als er. Fürst , der mäch­tigste Mäzen in Wien, war zwei Jahre jünger.

Zudem war es Mode, Musiker oder Kompo­nisten persön­lich zu kennen. So veran­stal­teten Adelige private musi­ka­li­sche Soireen. Sie enga­gierten Musiker und spielten bisweilen sogar selbst mit. Kaiser Franz I. etwa spielte bei seinen Strei­chern die Erste Geige. Beet­hoven verstand es, sich dieses Bedürfnis nach Bildungs­musik, die auf hohem Niveau gepflegt wurde, zunutze zu machen. Er hatte Schü­le­rInnen aus höchsten Adels­kreisen. So erteilte er etwa den Töch­tern von Anna Gräfin Brunswik de Korompa, den Komtessen Therese und Jose­phine, Klavier­un­ter­richt.

Im böhmi­schen Heilbad Teplitz bei unter­nahmen Beet­hoven und Goethe 1812 einen
gemein­samen Spazier­gang. Das Bild zeigt die Repro­duk­tion einer Radie­rung von Emile Pierre Pichard

(Foto: © Beet­hoven-Haus Bonn)

Die Ausstel­lung folgt in fünf Stationen dem Leben Beet­ho­vens. Sie zeichnet seine Lebens­si­tua­tionen nach und verschränkt sie mit dem musi­ka­li­schen Werk. 250 Expo­nate aus der Samm­lung des Beet­hoven-Hauses und von weiteren euro­päi­schen Leih­ge­bern illus­trieren einzelne Themen­kreise wie „Beet­ho­vens Sicht auf sich selbst“ oder „Frezundschften“. Dabei geht es den Kura­to­rinnen vor allem darum, den Menschen hinter dem Kompo­nisten sichtbar werden zu lassen. So ist ein Themen­kreis Beet­ho­vens „Geschäft­li­chen Stra­te­gien“ gewidmet.

Gustav Leopolds Radie­rung von Beet­ho­vens Wohn- und Musik­zimmer im Wiener
Schwarz­s­pa­nier­haus nach einer Zeich­nung von

(Foto: © Wien Museum)

Beet­hoven lebte als frei­schaf­fender Kompo­nist in Wien. Er kompo­nierte unent­wegt, und es gelang ihm dank seiner Kontakte, Förderer für die Veröf­fent­li­chung seiner Werke zu gewinnen. Bereits 1795 begann er, seine Kompo­si­tionen konti­nu­ier­lich mit Opus­zahlen zu versehen. Das war wichtig für die Vermark­tung seiner Werke. Denn es verein­fachte die Iden­ti­fi­zie­rung und erschwerte Raub­drucke. Beet­hoven hatte einen Sinn für das, was er wert war und begrün­dete eine neue Einstel­lung des Künst­lers gegen­über sich und seinem Werk. Seine Einkünfte in Wien waren beträcht­lich und das Selbst­ver­trauen, das er ausstrahlte, war so enorm, dass Haydn ihn den „Groß­mogul“ nannte.

Beet­ho­vens letzter Flügel: ein Hammer­kla­vier Des Klavier­bauers
(Foto: © Beet­hoven-Haus Bonn)

Die Ausstel­lung widmet sich auch Beet­ho­vens Umgang mit seiner Ertau­bung und all seinen weiteren Krank­heiten. Zu sehen gibt es dazu das Auto­graf des soge­nannten „Heili­gen­städter Testa­mentes“. In jenem langen Brief, den Beet­hoven am Ende seines Kurauf­ent­halts in Heili­gen­stadt 1802 an seine Brüder Kaspar Karl und Johann verfasste, den er jedoch nie abschickte, offen­barte er seine Ertau­bung und damit die Ursache dessen, was ihn so menschen­feind­lich erscheinen ließ.

Das Auto­graf von Beet­ho­vens Brief an , der 1795 als Diplomat
nach Russ­land abkom­man­diert wurde

(Foto: © Beet­hoven-Haus Bonn)

Zum ersten Mal im Original zu sehen ist der vom Beet­hoven-Haus jüngst erwor­bene Brief Beet­ho­vens an Hein­rich von Struve, der 1795 als Diplomat nach Russ­land gehen musste. Beet­hoven bemit­lei­dete den Freund aus Bonner Zeit, dass er „jezt in dem Kalten Lande [sei], wo die Menscheit noch so sehr unter ihrer Würde behan­delt wird“. Er fragte sich, wann der Zeit­punkt komme, „wo es nur Menschen geben wird“, zwei­felte jedoch daran, dass dieser glück­liche Zeit­punkt in naher Zukunft an allen Orten der Welt eintreten werde – „das werden wir nicht sehen, da werden wohl noch Jahr­hun­derte vorüber­gehen“.
Zu sehen sind auch Auto­grafen der Parti­turen, Und in einer Hörecke kann man das entspre­chende Musik­stück auch anhören.

Weitere Infor­ma­tionen zur Ausstel­lung „Beet­hoven – Welt.Bürger.Musik“ in der Bundes­kunst­halle: www​.bundes​kunst​halle​.de

Zur Ausstel­lung erscheint im Verlag Wienand ein Katalog in Form eines Bild­bandes: www​.amazon​.de