Thomas Zehetmair
Ätherisches, Sprödes und ein sinfonisches Schlachtross
von Jens Laurson
7. April 2023
Thomas Zehetmair zieht die Bilanz seiner Arbeit mit der Royal Northern Sinfonia, deren künstlerischer Leiter er war.
John Caskens Doppelkonzert The Subtle Knot: Ein lyrisches, tonales, dissonantes, ätherisches Werk für Orchester, Bratsche (Ruth Killius) und Geige (Thomas Zehetmair) von größtenteils zärtlichem Miteinander der beiden solistischen Instrumente. Ob Uneingeweihten die vermeintlichen Brückenschläge von englischer Renaissance zur Moderne auffallen werden, ist unwahrscheinlich, aber auch nicht relevant, was das Goutieren dieses postideologischen Konzertes betrifft.
Aufnahmen von Béla Bartóks Bratschenkonzert (von Tibor Serly zur Aufführungsreife gebracht) sind weniger selten, als man denkt, und gleichen doch immer wieder einer Neuentdeckung dieser spröden Schönheit. Ruth Kilius – mit nervöser Energie im Allegretto und einem Finale, welches getrieben klingt, ohne übertrieben schnell zu sein – reiht sich qualitativ in Aufnahmen von Lawrence Power (Hyperion), James Ehnes (Chandos) und Kim Kashkashian (ECM) ein.
Man stelle sich vor, es gäbe auf der Welt auch nur eine Liebhaberin moderner Musik, die diese jüngste ECM-Aufnahme von Thomas Zehetmair des Doppelkonzertes von Casken wegen erstünde und so, aus Versehen, zum ersten Mal in ihrem Leben mit Beethovens Fünfter Sinfonie in Hörkontakt käme. Es wäre eine gute Einführung: knackig, zügig, dramatisch und von der Royal Northern Sinfonia in etwas anonymer Weise ganz exzellent gespielt. In dem Konzert von 2014, dessen live-Abbildung diese jetzt herausgegebene CD ist, war Beethoven vielleicht das traditionelle Zuckerl für ein inzwischen schon gewagte Programmierungen gewöhntes Publikum. Auf CD ist es nicht so klar, was das sinfonische Schlachtross hier macht. Das Resümee Zehetmairs Arbeit mit dem Orchester sollte es darstellen. Nun, das tut es dann doch auf beeindruckende Weise.