Giselle

Das Ideal freier Liebe

von Ruth Renée Reif

20. Oktober 2020

Giselle in der Inszenierung von Peter Wright kommt mit Vadim Muntagirov als Herzog Albrecht und Marianela Nuñez als Giselle ab 20. Oktober 2020 aus dem Royal Opera House London in die Kinos.

Mit einem Klas­siker des Ballett­re­per­toires meldet sich das zurück in die Kinos: Giselle in der Insze­nie­rung von . Die Auffüh­rung stammt aus dem Jahr 2016. Und auf der Bühne steht ein Traum­paar des Tanzes: Vadim Munta­girov und Maria­nela Nuñez.

Gefühle leiten die Hand­lung, und Peter Wright erläu­tert in der Arbeit mit Vadim Munta­girov und Maria­nela Nuñez ihre tänze­ri­sche Umset­zung.

Giselle ist ein Meis­ter­werk des Tanz­thea­ters. Die Geschichte des Dorf­mäd­chens Giselle, das sich in Herzog Albrecht verliebt, von diesem schmäh­lich verlassen wird und den Geliebten dennoch rettet, begeis­tert in der tänze­ri­schen Darstel­lung stets aufs Neue. Wirk­lich­keit und Mytho­logie kommen in dem Ballett aufs Schönste zusammen. Und über allem steht die Liebe, die alles über­windet.

Vadim Muntagirov als Herzog Albrecht und Marianela Nuñez als Giselle
Maria­nela Nuñez als Dorf­mäd­chen Giselle, die sich in den Herzog Albrecht, getanzt Vadim Munta­girov, verliebt, ohne zu wissen, wer er ist.
(Alle Fotos des Beitrags: © Tristram Kenton)

Märchen­haft ist auch die Entste­hungs­ge­schichte. Der Dichter Théo­phile Gautier war von der Ballet­teuse Carlotta Grisi so hinge­rissen, dass er mit Unter­stüt­zung des Drama­ti­kers Jules Henri Vernoy de Saint-Georges ein Libretto verfasste. Jean Corelli, der Choreo­graf der Pariser Oper, nahm es an. Mit Jules Perrot erar­bei­tete er die Choreo­grafie.

Das Beson­dere an ihrer Arbeit war, dass sie die gesamte Hand­lung in einen fort­lau­fenden Tanz umsetzten. An dieser Vorgabe orien­tierte sich auch der Kompo­nist , der mit seiner Musik die gesamte Hand­lung mitträgt. Am 28. Juni 1841 erfolgte an der Pariser Oper die Urauf­füh­rung.

Giselle in der Inszenierung von Peter Wright mit Vadim Muntagirov als Herzog Albrecht und Marianela Nuñez als Giselle
Die Rache der Willis für die Untreue Herzog Albrechts verlangt es, dass er die ganze Nacht bis in den Tod durch­tanzt.

Eine Woche nach der Urauf­füh­rung erschien in La Presse ein acht Seiten langer offener Brief von Gautier. Gerichtet war er an Hein­rich Heine. Dieser war 1831 nach Paris über­sie­delt, um der strengen Zensur in Preußen zu entgehen. Gautier teilte in seinem Schreiben mit, dass er die Legende der „Willis“ durch Heine kennen­ge­lernt habe und zu einem Ballett umge­wan­delt habe.

Elemen­tar­geister gehörten zum Grund­stamm von Heines dich­te­ri­scher Fantasie und bevöl­kern sein gesamtes Werk. Sie besitzen Symbol­cha­rakter und verkör­pern die Sehn­sucht nach eroti­scher Befreiung und einem erfüllten Leben. Heine war ein Verfechter der freien Liebe. Die tanzenden Wesen stehen bei ihm für unge­zü­gelte Natür­lich­keit und entfes­selte Sinn­lich­keit. Als „geheim­nis­voll lüstern“ beschreibt er die Willis.

Vadim Muntagirov als Herzog Albrecht und Marianela Nuñez als Giselle
Sieg der Liebe: Giselle verzichtet auf ihre Rache und wendet den Geliebten dem Leben zu.

Bis heute blieb die Tradi­tion von Giselle unge­bro­chen. Mehr­fach wurde Das Ballett rekon­stru­iert und auf die Urfas­sung zurück­ge­führt. 1842 brachte es Jules Perrot in London auf die Bühne und 1856 in mit . Dieser erar­bei­tete 1884 eine eigene Fassung, die Anfang des 20. Jahr­hun­derts über die Ballets Russes nach Paris kam. Nikolai Sergejew schuf 1924 am Mari­inski-Theater jene histo­ri­sche Fassung, die, fest­ge­halten in der von Wladimir Stepanow entwi­ckelten Tanz­schrift, zur Grund­lage aller weiteren tradi­tio­nellen Ausfüh­rungen wurde.

Peter Wright befasst sich seit langem mit Giselle und insze­nierte es bereits 1960, als er in Ballett­meister bei war. Seine Begeis­te­rung für den Stoff und seine Hingabe an die Tänzer blieben unge­bro­chen. So gehört den auch Giselle zu den belieb­testen Balletten der Companie, und Cranko ließ es sich trotz seines hohen Alters nicht nehmen, selbst mit Vadim Munta­girov und Maria­nela Nuñez zu arbeiten.

Weitere Infor­ma­tionen: www​.rohki​no​ti​ckets​.de

Fotos: Tristram Kenton