KlassikWoche 26/2021
„Baba“, Bachler und Spitz, pass auf!
von Axel Brüggemann
28. Juni 2021
Der Abschied von Nikolaus Bachler in München, Rassismus in der Oper, Deutsches Chorzentrum in Berlin, das Ende von Elisabeth Kulmans Gesangskarriere
Willkommen in der neuen KlassikWoche,
Nikolaus Bachler nimmt Abschied, der Rassismus ist allgegenwärtig – und warum immer mehr Sängerinnen auf den Hund kommen.
BABA, BACHLER!
Das war schon eine ziemlich große Ära. Nach August Everding und Peter Jonas hat Nikolaus Bachler die Bayerische Staatsoper mit vollkommen anderen Mitteln geleitet. Er war kein Kuschel-Intendant, sondern ein knallharter Arbeiter im Weinberg der Oper, vor allen Dingen aber einer mit ziemlich gutem Künstler-Näschen für große Stimmen und erstklassige Dirigenten.
So ist es nur logisch, dass die Besten der Besten ihn jetzt aus dem Amt singen. Am Dienstag, den 28. Juni, dirigiert Kirill Petrenko die Rollendebüts von Anja Harteros als Isolde und Jonas Kaufmann als Tristan. Ein würdiger Schlusspunkt von Bachler, mit dem wir auch in diesem Newsletter allerhand Spaß hatten: Mit einer kleinen Satire während der Pandemie und mit einem äußerst launigen Gespräch, bei dem wir dann eine Friedenspfeife geraucht haben. Viel Glück, lieber Nikolaus Bachler, bei den Salzburger Festspielen!
PRETTY YENDE IN FRANKREICH FESTGEHALTEN
Wenn wir über Rassismus in der Oper reden und darüber debattieren, wie wir mit Otello, mit Monostatos oder dem von Strauss so genannten „Mohren“ im „Rosenkavalier“ umgehen, scheinen das oft sehr theoretische Frage zu sein. Die Wahrheit ist: Rassismus ist allgegenwärtig, und diese Fragen gehören dringend auf die Klassik-Agenda! Das hat die südafrikanische Sängerin Pretty Yende gerade wieder klar gemacht. Auf ihrer Facebook-Seite hat sie über einen Vorfall am Pariser Flughafen Charles de Gaulle berichtet. Sie sei dort von Polizisten abgefangen und wie eine Kriminelle behandelt worden. Man habe ihr all ihre Sachen inklusive Handy abgenommen, sie entkleidet und durchsucht und in eine kalte, dunkle Zelle gesperrt.
Nur mit einem Stück Papier, auf das sie Nummern von Bekannten oder Familie aufschreiben sollte, die man anrufen könnte. Sie habe gedacht, dass das ihr Ende sei und ihr Folter oder Tod drohe, während sie rassistische Kommentare hörte. Sie sei das erste Mal derart mit Rassismus konfrontiert worden, schrieb Yende. Unterstützung bekam sie von ihren Fans, das Théâtre des Champs-Elysées dagegen schwieg. Ein weiteres, trauriges Beispiel dafür, dass Rassismus auch in Europa leider Alltag ist.
IMMER MEHR KARTEN – ÜBERALL
Das Schlagwort des diesjährigen Festivalsommers ist „RESTKARTEN“. Nicht, weil zu wenige Menschen in Konzerte wollen, sondern weil auf Grund der positiven Corona-Lage kurzfristig immer neue Karten-Kontingente an den Mann und an die Frau gebracht werden müssen. Es ist Wahnsinn, was die Menschen in der Kulturbranche, gerade in den Ticket-Büros und in der Administration, derzeit leisten, um Kultur für so viele Menschen wie möglich zugänglich zu machen.
In einem Zwischenruf habe ich ihnen eine kleine Ode gesungen. Auch bei den Bayreuther Festspielen besteht nun endlich Klarheit, wie es im Sommer weitergeht: „Mit Freude und Erleichterung haben die Bayreuther Festspiele am heutigen Tag die Zusage erhalten, die diesjährigen Festspiele mit einer Zuschauerkapazität von 900 Plätzen pro Vorstellung stattfinden lassen zu können. Der Online Sofortkauf wird am 4. Juli um 14 Uhr beginnen“, hieß es auf der Seite der Festspiele, und die Bayreuther Zeitungen schreiben darüber, dass es auch eine Kino-Übertragung der Festspiel-Première des „Fliegenden Holländers“ mit der Dirigentin Oksana Lyniv geben soll.
DEUTSCHES CHORZENTRUM IN BERLIN ERÖFFNET
Mit einem Festakt ist das Deutsche Chorzentrum in Berlin eröffnet worden. Ein gutes Zeichen in Zeiten, in denen es den Chören (siehe NDR) gerade an den Kragen geht. Im Chorzentrum sind der Deutsche Chorverband, der Chorverband Berlin, der Landesmusikrat Berlin, die Deutsche Chorjugend und die „Vokalhelden“, das Chor-Programm der Berliner Philharmoniker, ansässig. Wichtiger Bestandteil wird zudem eine Musik-Kita mit 70 Plätzen, getragen durch die „Kleiner Fratz GmbH“, die im Laufe des Sommers 2021 den Betrieb aufnehmen soll. Mit dem Haus in der Karl-Marx-Straße 145 in Berlin ist dabei ein zentraler Ort für den musikalischen und kulturpolitischen Austausch entstanden, der neuen Raum zur Vernetzung bietet und zugleich eine Brücke zu den BewohnerInnen und Institutionen in der unmittelbaren Nachbarschaft schlägt.
PERSONALIEN DER WOCHE
Auf ihrer Facebook-Seite hat die Sängerin Elisabeth Kulman nun das endgültige Ende ihrer Gesangskarriere bekanntgegeben: „Liebe Musikliebende und Fans“, schrieb sie, „mein letztes Halbjahr, bevor ich einen Schlussstrich unter meine klassische Gesangskarriere setze, ist angebrochen. Es gibt noch schöne Gelegenheiten, wo ich für Sie singen darf und wir einander begegnen können. Alle Details finden Sie im Kalender auf meiner Website. (…) Ich werde jeden Auftritt feiern und genießen und wünsche mir, dass mein Publikum das auch tut. Ich gehe reich beschenkt und dankbar. Was danach kommt, fragen Sie? Lassen Sie sich überraschen! So wie ich mich überraschen lasse von dem, was das Leben noch mit mir vorhat.“ +++ Die Geigerin Hilary Hahn ist erste Artist in Residence beim Chicago Symphony Orchestra überhaupt – sie gestaltet die Saison 2023⁄24. +++ Der Herbert-von-Karajan-Dirigierwettbewerb erlebt eine Renaissance. Diesen Herbst soll er in zeitgemäßer Form neu geboren werden: Nicht mehr Medaillen gibt es beim neuen „Siemens Conductors Scholarship“ zu gewinnen, sondern die Möglichkeit, zwei Jahre lang als Assistent von Kirill Petrenko zu arbeiten, Karajans Nach-Nach-Nachfolger auf dem Posten des Philharmoniker-Chefdirigenten. Kein schlechter Preis.
Klassik Viral – ein Podcast von CRESCENDO
Wie schafft man es, sich von Corona nicht unterkriegen zu lassen?
Arnt Cobbers fragt nach. Bei Ariadne Daskalakis und Isang Enders.
+++ Es läuft nicht gut am Opernhaus Zürich, nach Berichten über Machtmissbrauch liegt nun der Fokus wieder auf der künstlerischen Arbeit von Intendant Andreas Homoki. Aber die wird in Schweizer Zeitungen derzeit verrissen wie nie zuvor. Nach der Première von „Lucia di Lammermoor“ holte Christian Berzins unter anderem im Tagblatt zum Rundumschlag aus: „Gott sei Dank hat sich der Verantwortliche für dieses Sängerdesaster, der russische Operndirektor und Casting-Chef Michael Fichtenholz, von Zürich verabschiedet. Regisseur und Intendant Homoki sind die Sänger sowieso nur Mittel zum szenischen Zweck.“ +++ Der Dirigent Antonio Pappano hat der Welt ein Interview gegeben (hinter der Paywall), in dem er den Opernbetrieb und die Macht einiger weniger Sänger kritisiert: „Wir lassen uns leider von den wenigen Starsängern erpressen“, sagt Pappano.
UND WO BLEIBT DAS POSITIVE, HERR BRÜGGEMANN?
Ja, wo zum Teufel bleibt es denn? Vielleicht beim Schleswig-Holstein Musikfestival, wo ich mit der Schülerin und den Schülern Mette, Moritz und Louis einen Podcast zu Franz Schubert aufgenommen habe – ebenfalls dabei: Thomas Quasthoff, Bryan Benner und Moritz Eggert. Nachzuhören ist er hier. Und dann noch dieses sommerliche Thema: der neue Sopran-Trend scheint es zu sein, auf den Hund zu kommen. Schon für Maria Callas war ihr Pudel „Toy“ das einzige Lebewesen, von dem sie sicher war, dass es sie niemals verraten würde. Seit einigen Monaten zeigt sich auch die Sängerin Camilla Nylund gern mit ihrem Hund „Nalle“ auf ihren Social-Media-Profilen (oben u.a. mit dem Portier der Wiener Staatsoper Julius Knie), und auch Olga Peretyatko hat einen neuen Hund…
Na dann: Halten Sie die Ohren spitz!
Ihr
brueggemann@crescendo.de
(Fotos: Markus Jan / Bayerische Staatsoper, Dario Acosta / Sony, SWR, Elisabeth Kulman / FB)