Martin Roddewig & Sarah Willis
Vier Noten, sonst nichts
von Ruth Renée Reif
16. September 2020
Die Beethoven-Filmtrilogie »Eine Welt ohne Beethoven?« von Martin Roddewig mit der Hornistin Sarah Willis ist vom 16. bis 18. September 2020 im TV-Programm und im Media Center von DW zu sehen.
Beethoven war ein Innovator und hat die Welt verändert. – Diesem „Allgemeinplatz“ wollte der Regisseur Martin Roddewig nachgehen: „Ich wollte sehen, was heute davon noch da ist, welchen Einfluss er auch heute noch hat.“ So begab er sich auf Spurensuche und zwar quer durch alle Stile: „Ich wollte Musiker befragen, die aus aktuellen Musikrichtungen kommen – wie Jazz, Pop‑, Rock‑, oder Filmmusik.“
Sarah Willis (Titelbild des Beitrags: © Sebastian Haenel), Hornistin der Berliner Philharmoniker, führt mit ihrem Horn durch den Film. Sie trifft den Filmkomponisten John Williams, der ihr verrät, wie man mit Hilfe von Beethovens Instrumentationstechnik überzeugend einen Sonnenaufgang komponiert. Von Clive Gillinson, dem Chef der Carnegie Hall, lässt sie sich erklären, warum es den klassischen Konzertbetrieb in seiner heutigen Form ohne Beethoven nicht gebe.
Im Lincoln Center sucht sie den Jazztrompeter Wynton Marsalis auf. Marsalis ist künstlerischer Leiter des „House of Jazz at Lincoln Center“. Er liebt vor allem Beethovens Streichquartett op. 135 mit den Synkopen. „Beethoven versteht das rhythmische Verhältnis von drei Schlägen in einer Zweier-Umgebung. Das ist typisch für afrikanische Musik oder Musik aus dem Nahen Osten“, erläutert er und mutmaßt: „da hat er das wahrscheinlich her, von der türkischen Musik.“
Das erste Riff der Musikgeschichte
Schließlich stellt sich die Frage nach dem Beginn der Fünften Sinfonie. Vier Noten, sonst nichts. Dreimal G, dann Es. Kein Sinfoniebeginn wurde so berühmt. Ist diese schlichte Keimzelle aus der Beethoven explosionsartig seine Sinfonie entstehen lässt, der erste Riff der Musikgeschichte? Immerhin bezog sich bereits der Jazzsaxofonist Ornette Coleman 1961 mit The Fifth of Beethoven auf den ersten Satz der Fünften Sinfonie.
Ritchie Blackmore, der Gitarrist der Hardrockband Deep Purple, der immer wieder Ausschnitte aus Beethovens Fünfter Sinfonie in seinen Konzerten spielt, erzählt, was ihn zu seinem Riff am Beginn von Smoke on the Water inspirierte. Auch Ian Anderson von der Band Jethro Tull brauchte 1971 für Locomotive breath nur vier Töne.
Auch für Rudolf Schenker, den Gitarristen bei der Band Scorpions, steht fest, dass Beethovens Motiv die Mutter aller Rockriffs ist, zumindest in Europa. Die Gitarrenriffs mit Melodie, die Schenker für die Band schrieb, ließen die Scorpions weltbekannt werden. „Wir sind durch die Klassik so geformt, dass wir auf eine Melodie und einen gewissen Rhythmus ausgeprägt sind. Die Klassik ist in unseren Genen“, sagt er im Film und lässt sich von Sarah Willis zu einer kleinen Jam-Session mit Horn und Gitarre einladen.
Der Dokumentationsfilm „Eine Welt ohne Beethoven?“ von Martin Roddewig ist nach „Beethoven. The Sound of Nature“ und „Beethoven’s Ninth. Symphony for the World“ der dritte Teil der Beethoven-Trilogie von DW.