KlassikWoche 11/2020

Oster-Schlamm­schlacht und Theater-Angriff der AfD

von Axel Brüggemann

9. März 2020

Will­kommen in der neuen Klassik-Woche

heute mit Corona-Klassik-News, Domingos geplatztem Deal und einigen Händen voll Schlamm bei den Oster­fest­spielen in Salz­burg.

WAS IST

Beson­ders betroffen von Corona: das Klassik-Leben in Italien

UND SCHON WIEDER EIN CORONA-UPDATE

Die Sache wird allmäh­lich unüber­sicht­lich – und abge­rie­gelt. Inter­na­tional spielen viele Orchester nur noch virtuell, um das Publikum zu Hause per YouTube zu unter­halten. Pervers schon fast die so genannte „Corona Sick List“, die Norman Lebrecht führt – jeder infi­zierte Klassik-Künstler wird hier aufge­führt. Ernüch­ternd dagegen die öffent­li­chen Erklä­rungen der Künstler selber. Kompo­nist Brett Dean schreibt aus der austra­li­schen Quaran­täne, wie bei ihm in Asien immer wieder – ohne Symptome fest­zu­stellen – Fieber gemessen wurde und er zwei Mal nach Hause geschickt wurde, als er mit Husten zum Arzt ging. Derweil fallen immer mehr Gast­spiele dem Virus zum Opfer. Für anste­hende Tour­neen des Beet­hoven Orches­ters sollen bereits Cargo-Flüge im Früh­ling gestri­chen sein, und immer mehr Ensem­bles aus den denken darüber nach, ihre Tour­neen nicht nur nach Asien, sondern auch nach Europa abzu­sagen. In San Fran­cisco wurden eben­falls erste Konzerte abge­sagt, in Moskau wird bei Musi­kern Fieber gemessen – mit mehr als 37,2 Grad darf niemand auf die Bühne. Auch die Musik­messe in wurde bereits abge­sagt

DOMINGO-DEAL PLATZTE

Etwas unan­ge­nehm für : Der 500.000 Dollar-Deal, den er in den USA schließen wollte, platzte. Das Geschäft wurde von einem Whist­le­b­lower an die New York Times weiter­ge­geben. Demnach soll Domingo die Zahlung zuge­si­chert haben, wenn die American Guild Of Musical Artists die Ergeb­nisse ihrer juris­ti­schen Unter­su­chungen nicht weiter breit­tritt. Die AGMA plante also ledig­lich eine ober­fläch­liche Zusam­men­fas­sung und den Verzicht auf weitere Schritte. Nach dem Platzen des Deals sickerte nun durch: Der Tenor habe Frauen begrapscht, ihnen uner­wünschte Küsse aufge­drückt, sie spät­nachts mit Anrufen beläs­tigt und zum Geschlechts­ver­kehr gedrängt. In einer Umfrage in meiner Insta-Story waren von mehreren 100 Teil­neh­mern knapp 60 Prozent dafür, dass Domingo trotzdem weiter auftreten soll. Domingo selber aber scheint allmäh­lich zu begreifen, dass Rückzug eine Alter­na­tive sein könnte. Seine kommenden Auftritte in London hat er bereits abge­sagt. Die Washington Post berichtet, wie Opern­häuser den Namen Domingos etwa aus ihren Nach­wuchs-Programmen tilgen.

ZUM FREMD­SCHÄMEN: SCHLAMM­SCHLACHT IN SALZ­BURG

Das Magazin News veröf­fent­lichte die Mail von Bachler, die im Netz kursierte (Ausriss).

Die Oster­fest­spiele in Salz­burg starten mit einer Schlamm­schlacht. Noch-Inten­dant und Diri­gent benutzen neuer­dings Öster­reichs operet­ten­haften Boule­vard-Kultur-Jour­na­listen Heinz Sichrovsky vom Magazin News für ihren Rache­feldzug. Der veröf­fent­lichte eine persön­liche Mail, die der zukünf­tige , Niko­laus Bachler, offen­sicht­lich in Rage an Peter Ruzicka geschrieben hatte. Sichrovsky, der im Vorfeld mit seinen Speku­la­tionen über die Zukunft der Fest­spiele andau­ernd falsch gelegen hatte (wahr­schein­lich damals schon von Ruzicka mani­pu­liert), regt sich nun über Bach­lers Recht­schreib­fehler auf und legt sich rheto­risch für Thie­le­mann ins Zeug. Dabei steht in Bach­lers Mail viel Wahres: Ruzicka würde Thie­le­mann benutzen, würde die Fest­spiele abwirt­schaften und seine Auftritte seien weit­ge­hend zum Fremd­schämen. Fakt ist: Die Oster­fest­spiele haben schnell noch ein Jugend-Abo aufge­legt, um die freien Plätze zu stopfen. 

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Bald ist Buchungs­schluss!

Wenn Ihre Veran­stal­tungen im Fest­spiel-Guide 202021 erscheinen sollen, schreiben Sie eine Mail an engelhard@​crescendo.​de

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FEYHEIT FÜR DIE SEMPER­OPER

Er und seine Machen­schaften haben uns an dieser Stelle lange beschäf­tigt: Nun wurde Hans-Joachim Freys Vertrag über den Opern­ball mit der Semper­oper in Dresden gekün­digt. Frey sorgte für Ärger, unter anderem, weil er Ägyp­tens tyran­ni­schen Macht­haber El-Sisi einladen wollte. Am Ball selber wolle man in aller­dings fest­halten und Neuver­hand­lungen führen, um „Anpas­sungen“ von Vertrags­in­halten zu errei­chen, erklärte Opern-Inten­dant Peter Theiler.

WAS WAR 

Bühnen­bild von Falk Rich­ters „Fear“ an der Schau­bühne Berlin

PEIN­LICH: AfD WILL MEHR DEUT­SCHES THEATER

In einem Ände­rungs­an­trag zum -anhal­ti­schen Haus­halt fordert die AfD, die Mittel für die Bühnen im Land bereits in diesem Jahr um 18 Millionen Euro zu kürzen. Sie argu­men­tiert: „Insbe­son­dere werden kaum deut­sche Thea­ter­stücke auf die Bühne gebracht.“ Johannes Weigand, Gene­ral­inten­dant des Anhal­ti­schen Thea­ters, sieht in der Forde­rung vor allem den Versuch, Druck auf die Thea­ter­ma­cher auszu­üben. Die vermeint­li­chen Jünger der Kultur­na­tion beweisen, dass sie ihren Beet­hoven und Goethe nie verstanden haben. 

ALLE MUSIK FÜR ALLE

Der Musiker und Anwalt Damien Riehl hat ein Programm entwi­ckelt, in dem ein Computer per Algo­rithmus Noten erar­beitet. Die Noten-Folgen will Riehl gemein­frei (also ohne Rechte-Forde­rungen) zur freien Verfü­gung stellen. Die Crux dabei: Der Computer gene­riert 300.000 Melo­dien mit der Abfolge von acht Tönen und zwölf Schlägen pro Sekunde. Darunter eben auch „zufällig“ bekannte Melo­dien, die aber – da offen­sicht­lich vom Computer „neu erfunden“ – von jedem kostenlos kopiert werden dürfen. Als Moti­va­tion nennt Riehl bekannte Copy­right­klagen unter Musi­kern – etwa als die Chif­fons gegen­über dem Ex-Beatles-Mitglied George Harrison den Vorwurf aufbrachten, er hätte in seinem Song „My Sweet Lord“ die Melodie von „He’s So Fine“ abge­kup­fert. Fast 30 Jahre lang wurde darum prozes­siert, ehe ein Gericht Harrison wegen „unter­be­wussten Plagiats“ verur­teilte.

PERSO­NA­LIEN DER WOCHE

Der Tenor ist vom (RCM) in London zum Ehren­doktor ernannt worden. Der Titel wurde dem gebür­tigen Münchner am Dienstag von Prinz Charles verliehen. Die Ehren­dok­tor­würde erhielt auch der Diri­gent und Musik­di­rektor des , . +++ Der Preis der Chris­toph-und-Stephan-Kaske-Stif­tung 2020 geht an den Kompo­nisten Peter Michael Hamel. +++ Aufreger der Woche in den sozialen Netz­werken: Musik­kri­tiker Wolfram Goertz erklärte in der Rhei­ni­schen Post eine Liste über­schätzter Opern – dazu gehören für ihn „Der Frei­schütz“ oder „Die Götter­däm­me­rung“.

UND DAS NOCH

Neuer­dings veran­stalte ich auf meiner Insta-Story regel­mäßig Umfragen zu aktu­ellen Themen der Klassik. Hier die Ergeb­nisse der letzten Woche:

In diesem Sinne: halten Sie die Ohren steif

Ihr

brueggemann@​crescendo.​de