Raquele Magalhães, Smaro Gregoriadou u.a.

Über­ra­schungen

von Christoph Schlüren

25. Dezember 2021

Aufnahmen der Flötistin Raquele Magalhães, der Gitarristin Smaro Gregoriadou und der legendären Meister, des Flötisten Jean-Pierre Rampal, des Cellisten Steven Isserlis und des Geigers Ivry Gitlis

Jean-Pierre Rampal (1922–2000) wird welt­weit als Jahr­hun­dert­flö­tist verehrt. Von 1974 bis 1994 nahm er für CBS bzw. deren Nach­fol­ge­label Sony auf, und nun ist dieses reife Vermächtnis in einer 56-CD-Box mit kompe­tentem Essay von Denis Verroust bei Sony Clas­sical erschienen. Einge­leitet mit einer phäno­me­nalen Aufnahme der Mozart’schen Flöten­trios (1969 mit Isaac Stern, Alex­ander Schneider und Leonard Rose), sind große Solisten wie Stern, Mstislav Rostro­po­vich, Maurice André, , Alex­andre Lagoya, und die Harfe­nistin Mari­elle Nord­mann hier ebenso Wegbe­gleiter wie das Juil­liard String Quartet, , , der Easy-Listening-Jazz­pia­nist Claude Bolling, das Chamber Orchestra und der Pianist John Steele Ritter.

Verehrt als Jahr­hun­dert­flö­tist: Jean-Pierre Rampal

Rampal ist nicht nur ein wunder­barer Mozart­spieler, sondern – in späten Jahren mit späten Sinfo­nien – ein ausge­zeich­neter Mozart-Diri­gent! Neben exem­pla­risch darge­bo­tenem Johann Sebas­tian und , Tele­mann, Vivaldi, Haydn, Mozart, Kuhlau, Weber und anderem Wohl­be­kannten sind auch exqui­site Rari­täten wie Arran­ge­ments von Schu­berts Arpeg­gione-Sonate (voll­endet gestaltet), Doppel­kon­zerte des kata­la­ni­schen Früh­klas­si­kers Joan Baptista Pla, Jindřich Felds herr­lich wirbelnde Sonate oder Pender­e­ckis Konzert mit Kammer­or­chester in erst­ran­gigen Auffüh­rungen zu hören.

Jean-Pierre Rampal: The Complete CBS Master­works Recor­dings (Sony)

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Erlesen durch­ge­ar­beitet

Die höchst­ka­rä­tige heutige Nach­fol­gerin Rampals ist die in Paris lebende Brasi­lia­nerin Raquele Magal­hães.

Die Flötistin Raquele Magal­hães spielt mit Marie-Josèphe Jude am Klavier Igor Stra­win­skys Prélude à l’après-midi d’un faune

Auf ihrem neuen Album „Flute Tran­scrip­tions“ (NoMad­Music) mit der vorzüg­li­chen Pianistin Marie-Josèphe Jude spielt sie in unnach­ahm­lich dichter, gesang­li­cher, klang­lich fanta­sie­rei­cher und bis ins letzte Detail erlesen durch­ge­ar­bei­teter Weise Versionen von Violin­so­naten Schu­manns (Nummer eins), Debussys und Ravels (Sonate post­hume), die die meisten Geiger erblassen lassen, und wohl noch nie haben wir das Prélude à l’après-midi d’un faune so zauber­haft gehört wie mit ihr in Gustave Sama­zeuilhs Klavier­be­ar­bei­tung. Als sie kürz­lich in Tarra­gona auftrat, schwärmte das ganze Orchester, sie hätten „noch nie eine so gute Flöte gehört“. So geht’s auch mir mit ihr.

Raquele Magal­hães & Marie-Josèphe Jude: „Flute Tran­scrip­tions” (NoMad­Music)

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Unbe­kannte Ausdrucks­di­men­sionen

Auf vergleichbar exzep­tio­nellem Niveau bewegt sich die grie­chi­sche Gitar­ristin Smaro Grego­riadou, die man rein musi­ka­lisch als legi­time Nach­fol­gerin Julian Breams bezeichnen könnte. Nicht zuletzt dank der revo­lu­tio­nären Neue­rungen ihres Mentors George Kerts­o­poulos auf dem Gebiet des Instru­men­ten­baus und über­haupt der klang­li­chen Expan­sion erschließt sie der Gitarre bisher unbe­kannte Ausdrucks­di­men­sionen.

Inter­pre­tiert die Sonate a‑Moll BWV 1003 von : die Gitar­ristin Smaro Grego­riadou

Ihr jüngstes Album „A Healing Fire“ (Delos) fesselt mit einem unwi­der­steh­lich durch­ge­stal­teten Nocturnal after Dowland von , inter­es­santen Werken von Jacques Hétu und sowie vor allem einer Sonate a‑moll von Bach (original für Geige solo), die in ihrer kantabel trag­fä­higen kontra­punk­ti­schen Kohä­renz und Schön­heit unüber­treff­lich gelungen ist.

Smaro Grego­riadou: „A Healing Fire” (Delos)

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Unge­stümes Tempe­ra­ment

Der briti­sche Cellist zählt zwar bereits zu den „Elder Statesmen“, doch seinem unge­stümen Tempe­ra­ment verpasst dies auf seinem jüngsten Album „British Solo Cello Music“ (Hype­rion) keinerlei Dämpfer, wie man in Brit­tens Dritte Suite oder William Waltons Passa­ca­glia hören kann.

Trailer zu Steven Isserlis Album briti­scher Cello­musik

Das ortho­doxe Konta­kion, welches Britten gegen Ende zitiert, trägt Isserlis dann auch noch hinrei­ßend in einer Harmo­ni­sie­rung von Walter Parratt vor: Er spielt alle Stimmen im Overdub-Verfahren und erzielt so eine unge­mein geschlos­sene Klang- und Ausdrucks­wir­kung. Höhe­punkt des Albums jedoch ist die Erst­ein­spie­lung der 34-minü­tigen Suite in lyrisch abge­wan­deltem Bach-Stil des großen Pianisten und heroi­schen Pazi­fisten Frank Merrick (1886–1981), die jeder Cellist, der auf sich hält, kennen sollte.

Steven Isserlis: „British Solo Cello Music” (Hype­rion)

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Exzen­tri­scher Meister

Violin­papst Emilio Pessina hat bei Rhine Clas­sics eine weitere Sensa­tion heraus­ge­bracht: eine noch vom Meister selbst abge­seg­nete Neun-CD-Antho­logie „Inédits et introu­v­a­bles“ von Ivry Gitlis (1922–2020) unter Mitwir­kung von , Isserlis, Zubin Mehta, u.a., mit Aufnahmen von 1937 bis 2006, darunter das vertrackte Kammer­kon­zert von , das Nielsen-Konzert oder eine orches­trierte Fassung von Beet­ho­vens Kreut­zer­so­nate: für all die zahl­rei­chen Fans des exzen­tri­schen Meis­ters eine gran­diose Über­ra­schungs­kiste.

Ivry Gitlis in memo­riam: „Inédits et introu­v­a­bles” (Rhine Clas­sics)

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Fotos: Smaro Gregoriadou