Originell
von Ruth Renée Reif
16. Juni 2020
René Jacobs übernahm die musikalische Leitung von Sven-Eric Bechtolfs und Julian Crouchs Inszenierung der dramatischen Purcell-Oper King Arthur.
Als außergewöhnlich reichhaltig beschreibt René Jacobs die Musik von Henry Purcell. „Purcell ist so unglaublich originell“, betont er im Gespräch mit dem Dramaturgen der Berliner Staatsoper Detlef Giese. „Es gibt wohl keinen Komponisten der Zeit, der harmonisch so kühn war, der so weit in seiner Klangsprache gegangen ist und der zugleich so genau auf die Texte geachtet hat, die er vertonte.“ Ein genuiner, genialer Theaterkomponist sei Purcell gewesen. Als musikalischer Leiter der Inszenierung von Purcells „dramatick opera“ King Arthur führte Jacobs mit der Akademie für Alte Musik Berlin die Expressivität, Dynamik und den Farbenreichtum von Purcells Musik vor.
Der Kampf der Briten und der Sachsen
King Arthur, dessen Libretto der Dichter John Dryden verfasste, handelt vom Kampf der Briten unter King Arthur und der Sachsen unter König Oswald um die Vorherrschaft. Beteiligt an diesem Kampf, den King Arthur am Ende glorreich gewinnt, sind zahlreiche Zauberer und Fabelwesen. Auch eine Liebesgeschichte um die Befreiung der geraubten schönen blinden Emmeline ist in die Handlung verwoben.
Für die Inszenierung 2017 im Schillertheater, dem Ausweichquartier der Staatsoper Berlin, die jetzt auf DVD und Blue-ray-Disc vorliegt, brachte René Jacobs zusätzliche Musik ein. Sinn der musikalischen Ergänzungen war es, die musikalische Spannung auch während der Sprechdialoge aufrechtzuerhalten. Jacobs verwendete dafür Kammermusik von Purcell wie etwa seine Gambenfantasien und Pavanen. Diese setzte er kontrapunktisch zu den gesprochenen Texten ein.
Traum im Traum
Sven-Eric Bechtolf und Julian Crouch schufen eine Rahmenhandlung um einen kleinen Jungen, der seinen im Zweiten Weltkrieg gefallenen Vater vermisst. Nach einer Geburtstagsfeier erscheint ihm im Traum der Vater als King Arthur. So wurde die Oper in der Inszenierung zu einem Spiel im Spiel, in dem Traum und Realität verschwammen. Mit Hilfe seines Großvaters, der im Traum zum Zauberer Merlin wird, rettet der Vater als King Arthur die Mutter in Gestalt der schönen Emmeline aus der Gewalt des bösen Oswald.
Während die Schauspieler jeweils nur eine Figur darstellten, verkörperten die Gesangssolisten in den fantastischen Kostümen von Kevin Pollard mehrere der Fabelwesen. Mit dem Chor der Staatsoper Berlin formierten sie sich zu einer immer neuen Schar von Geistern, Sirenen und Zauberern. So verkörperte die Sopranistin Anett Fritsch den Luftgeist Philidel, eine Schäferin, eine Nymphe, eine Sirene und Venus. Die Sopranistin Robin Johannsen und der Countertenor Benno Schachtner sangen die rührende kleine Kantate You say »tis love. Der Bass Johannes Weisser spielte den Erdgeist Grimbald und sang die Staccato-Arie des Frostgeists.
Bechtolf und Crouch brachten das barocke Werk in einer schwungvollen Inszenierung auf die Bühne. Von Tanz über Pantomime, Maskerade und Puppenspiel boten sie das ganze Spektrum der darstellenden Künste auf. Die raffinierten Verwandlungen des von Crouch gestalteten Bühnenbildes ließen die einzelnen Szenen bruchlos ineinander übergehen. Mit Meereswellen aus bewegten blauen Stoffbahnen kam sogar barocker Bühnenzauber zum Einsatz.
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