Festtage im Festspielhaus Bregenz
Die Indolenz der Theaterdirektoren
von Ruth Renée Reif
25. Juli 2020
Die Festtage im Festspielhaus der österreichischen Hafenstadt Bregenz am Bodensee zeigen von 15. bis 22. August 2020 ein vielfältiges Programm. Sogar die Uraufführung einer Oper gibt es zu sehen.
Die Festtage im Festspielhaus der österreichischen Hafenstadt Bregenz am Bodensee zeigen von 15. bis 22. August 2020 ein vielfältiges Programm. Vom Gesang über eine Lesung bis zu Konzerten ist alles dabei, und sogar die Uraufführung einer Oper gibt es zu sehen.
„Ali, ein türkischer Kaufmann aus Smyrna, kommt in Geschäften nach Venedig. Dort besucht er die Oper und denkt sich, dieses Stück könne in seiner Heimat, wo es ja mehr Ausländer als Einheimische gibt, sein Glück machen. Er will es auf einen Versuch ankommen lassen und beauftragt den italienischen Theateragenten, ihm das für seinen Plan erforderliche Personal herbeizuschaffen. Welcher Reinfall für den Türken! Er engagiert vier Sängerinnen, von denen jede Anspruch auf die erste Rolle erhebt. Die Herren sind nicht viel fügsamer. Der Tag der Abreise ist festgesetzt, und alle sind versammelt, um sich einzuschiffen. Man erwartet den Impresario, aber an dessen Stelle erscheint ein Mann mit einem Beutel voll Geld und der Nachricht, dass Ali schon zu Schiff nach Smyrna ist. Und jedem wird im Auftrag des freigebigen Muselmannes statt der verdienten Rüge ein volles Vierteljahr der Gage ausbezahlt.“
Eine umfassende und tiefgreifende Kritik
So gibt Carlo Goldoni in seinen Memoiren den Inhalt seiner Komödie L’impresario delle smirne (Der Impresario von Smyrna), die 1755 in Venedig zur Uraufführung kam, wieder. Und er fügt noch hinzu: „Dieses Stück war eine sehr umfassende und tiefgreifende Kritik an der Unverschämtheit der Schauspieler und Schauspielerinnen und der Indolenz der Theaterdirektoren; es hatte vollen Erfolg.“
Das wahre Bild der Theaterlieblinge
Goldoni setzte sich für eine neue Theatermoral ein. Und durch sein Stück sollte zum einen das Publikum ein wahres Bild seiner Theaterlieblinge erhalten, und zum anderen wollte er diesen eine Lektion erteilen. 100 Jahre später veroperte Carlo Pedrotti das Stück mit einem Libretto von Marcelliano Marcello unter dem Titel Tutti in maschera (Alle maskiert). Er hatte damit vor allem in Frankreich großen Erfolg.
Eine Opera buffa für Bregenz
Für die Bregenzer Festspiele hat die Komponistin Ľubica Čekovská (Foto oben: © Ivana Satanik) mit der Librettistin Laura Olivi das Stück in eine Opera buffa verwandelt. Impresario Dotcom hätte im Theater am Kornmarkt uraufgeführt werden sollen. Da die Bregenzer Festspiele jedoch abgesagt wurden, findet auf Anregung der Regisseurin Elisabeth Stöppler und ihres Teams die Uraufführung im Festspielhaus statt. Die Rolle der Impresaria Dotcom übernimmt Zeynep Buyraç. Zu den weiteren Mitwirkenden gehören Christoph Pohl, Hagen Matzeit, Eva Bodorová, Terezia Kružliaková, Adriana Kučerova und Simeon Esper. Am Pult des Symphonieorchesters Vorarlberg steht Christopher Ward.
Trauermarsch und Tanz
Eröffnet werden die Festtage von der Musicbanda Franui. Wo kommen Melodien her, und wo führen sie hin? Das ist die Frage, der Franui mit ihrer Musik nachgehen. Benannt nach einer Almwiese im Osttiroler Dorf Innervillgraten, wo die meisten ihrer Mitglieder aufwuchsen, versteht sie sich als „Umspannwerk zwischen Klassik, Volksmusik, Jazz und zeitgenössischer Kammermusik“. Andreas Schett, Trompeter, Flügelhornist, Komponist und Gründer der Gruppe, benennt Trauermarsch und Tanz als die beiden Pole ihrer Arbeit. Franz Schubert und Gustav Mahler widmen sie mit dem Bassbariton Florian Boesch ihren Abend, der vom Video-Künstler Jonas Dahlberg in Szene gesetzt wird.
Alte Weisen aus der Auvergne
Den Volksliedarrangements Chants d’Auvergne von Joseph Canteloube stehen auf dem Programm eines Konzertabends der Sopranistin Mélissa Petit. Wie Bartók zog Canteloube einst durch die Auvergne, in der er aufgewachsen war, um bei den Bauern und Landarbeitern jene Lieder, Melodien und alten Weisen zu sammeln, die seine Kindheit prägten. Begleitet wird Mélissa Petit vom Symphonieorchester Vorarlberg unter Enrique Mazzola.
Vom Barock bis in die Gegenwart
Im Kunsthaus Bregenz spannt die Sopranistin Hanna Herfurtner mit ihrem Ensemble einen Bogen vom Barock bis in die Gegenwart. Den Liedern barocker Komponisten wie Claudio Monteverdi, Orlando di Lasso und Carlo Gesualdo stellt sie Liedkompositionen zeitgenössischer Komponisten gegenüber wie Sidney Corbett oder Catherine Lamb, die u.a. Texte von Christine Lavant und Roland Barthes vertonte.
Alle Freuden und Leiden der Liebe
Um Liebe dreht sich alles im Liederabend der Sopranistin Anna El-Kashem und des Baritons Johannes Kammler. In der Übersetzung von Paul Heyse vertonte Hugo Wolf in den 1890er-Jahren Liebesgedichte aus der Toskana. Auf deklamatorische und tonsymbolische Weise gestaltete er in seinem Italienischen Liederbuch kunstvoll alle Freuden und Leiden der Liebe. Den Klavierpart übernimmt Rita Kaufmann.
Von sexueller Begierde getrieben
Das Poem Nikolaus Lenaus über den von sexueller Begierde unaufhaltsam getriebenen Mann hatte Richard Strauss einst zu seiner Tondichtung Don Juan inspiriert. Philippe Jordan leitet die Aufführung am Pult der Wiener Symphoniker. Mit einer Hommage an Richard Strauss beschließt er die Festtage.
Weitere Informationen zu den Festtagen im Festspielhaus Bregenz: www.bregenzerfestspiele.com
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