Ute Lemper beim Kurt Weill Fest Dessau 2019
„Heute schreibe ich für heute“
von Ruth Renée Reif
7. Januar 2019
„Wir müssen mit dem Musiktheater Weills im Dialog bleiben“, forderte Luciano Berio 1999. Er sah in ihm „eines der wichtigsten Phänomene des 20. Jahrhundert“. Das Kurt Weill Fest hält diesen Dialog aufrecht und verleiht ihm immer wieder neue Impulse. 48 Veranstaltungen mit bedeutsamen KünstlerInnen wie den Schauspielerinnen Katja Riemann und Katharina Thalbach, der Sängerin Helen Schneider, dem Trompeter Frank London, dem Posaunisten Nils Landgren und dem Dirigenten Karl-Heinz Steffens feiern den Komponisten, der sich wünschte, nur Musik zu sein.
Zur Eröffnung gastieren die Sopranistin Dagmar Pecková und der Tenor Jiří Hájek mit ihrer Revue Wanted im Anhaltischen Theater.
Songs wie die Zuhälterballade aus der Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht in Berlin, Der Abschiedsbrief, den Weill im September 1933 nach einem Text von Erich Kästner in Paris komponierte, und Buddy on the Nightshift aus den Songs for the War Effort, die 1942 im New Yorker Exil entstanden, lassen Stationen aus dem Leben Weills Revue passieren. Die Dreigroschenoper, der unvergessliche Klassiker, der aus Weills Zusammenarbeit mit Brecht hervorging, steht in der Inszenierung von Ezio Toffolutti und mit Markus L. Frank am Pult erneut auf dem Spielplan des Anhaltischen Theaters Dessau.
Artist-in-Residence ist Ute Lemper, eine der vielseitigsten Künstlerinnen des Musiktheaters. Seit Beginn ihrer Karriere, als sie in Berlin mit Nicole Heesters und Ingrid Caven in einer Kurt-Weill-Revue auftrat, ist sie eine herausragende, international gefeierte Weill-Interpretin. In einem Galakonzert mit der Anhaltischen Philharmonie Dessau singt sie Songs wie Surabaya Johnny aus dem Songspiel Happy End oder den Tango Youkali aus der Operette Marie galante nach Jacques Devals gleichnamigem Roman, die Weill bereits auf der Flucht in Frankreich schrieb.
Das Orchester unter Markus L. Frank spielt die Suite aus der Musiquette Silbersee, Weills letztes in Deutschland komponiertes Werk, das 1932⁄33 aus der Zusammenarbeit mit dem Dramatiker Georg Kaiser entstand. Über ihr bewegtes Leben auf zwei Kontinenten, ihre Arbeit und ihre Liebe zu Weill unterhält sich Ute Lemper mit Intendant Gerhard Kämpfe im Festivalcafé. Als „eine zweite Marlene Dietrich“ wurde Ute Lemper gefeiert und „von der Wurzel her“ sieht sie sich auch von Marlene Dietrich und ihrer Zeit inspiriert. In der Show Rendezvous mit Marlene erzählt sie die Geschichte Marlene Dietrichs und trägt ihre Lieder vor, von den Berliner Kabarettjahren bis zur Zusammenarbeit mit Kurt Weill und anderen Komponisten. „Am Broadway geht’s härter zu als am Kurfürstendamm“, musste Weill der Dietrich 1942 erklären.
„Mut zur Erneuerung“ lautet das Motto des Festes. Weills Streben war es, ein neues Genre des Musiktheaters zu schaffen, das „die völlig veränderten Lebensäußerungen unserer Zeit in einer entsprechenden Form“ behandle. „Man komme mir nicht mit der Nachwelt“, erwiderte er auf die Frage nach den Zukunftsaussichten seiner Musik, „heute schreibe ich für heute“. Zugleich spiegelt sich in dem Motto die vor 100 Jahren geborene Idee des Bauhauses, die Welt neu zu denken. Im Jubiläumsjahr des Bauhauses greift die neue Reihe „Neues Hören durch Sehen“ das Bauhaus-Ziel der „Sammlung alles künstlerischen Schaffens zur Einheit“ auf.
Im nächtlichen Kammerkonzert des Perkussionisten Andreas Hepp und Lichtdesigners Björn Schneider finden musikalische Handlungsfäden, die sich in Klangfarbe, Tempo, Rhythmus und Melodie unterscheiden, mit Lichtgestaltung und der architektonischen Umgebung zu einem großen Gesamterlebnis zusammen. Kunst und Technik vereint die Konzert-Suite Trains Bound for Glory. Sie enthält populäre Nummern aus der Show Railroads in Parade, die Weill für den Eisenbahnpavillon der New Yorker Weltausstellung 1939–40 schrieb. Markus L. Frank leitet im DB-Werk die Anhaltische Philharmonie Dessau bei ihrer Deutschen Erstaufführung.
Karten und weitere Informationen: www.kurt-weill.de