Die Zauberflöte, Die Hochzeit des Figaro, Carmen u.a.
Die zehn beliebtesten und bekanntesten Opern
von Ruth Renée Reif
21. Februar 2022
Mozart – Verdi – Puccini – Der Kanon, der zehn meistgespielten Opern der westlichen Welt ist eng. Das Musiktheater des 20. Jahrhunderts sucht man darin vergebens, ebenso die Barockoper.
Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) und Emanuel Schikaneder
Wolfgang Amadeus Mozarts Oper Die Zauberflöte steht unangefochten an der Spitze des Kanons. Ihr Erfolg zeichnete sich bereits bei der Uraufführung am 30. September 1791 im Theater an der Wien ab, die Mozart vom Cembalo aus leitete. Der Erfolg versetzte ihn in euphorische Stimmung. Jeden Abend ging er ins Theater, um seine Oper zu hören. Seiner Frau Constanze, die sich mit ihrer Schwester in Baden aufhielt, zählte er in seinen Briefen all die Nummern auf, die wiederholt werden mussten, und er schrieb: „was mich aber am meisten freuet, ist, der Stille beifall! – man sieht recht wie sehr und immer mehr diese Oper steigt.“
Am 16. Januar 1794 brachte Johann Wolfgang von Goethe Die Zauberflöte am Weimarer Hoftheater auf die Bühne. Anlässlich der dritten Aufführung am 24. Februar teilte er Friedrich Schlegel mit, sie habe „wieder viele Zuschauer aus der Nachbarschaft herbeigelockt“. Goethe plante sogar eine Fortsetzung der Oper, die ursprünglich Die Zauberharfe heißen sollte. Was ihm vorschwebte, war eine gesteigerte Wiederholung von Schikaneders Libretto. 1816 wurde Die Zauberflöte zum ersten Mal in Berlin aufgeführt, wofür Karl Friedrich Schinkel die Bühnenbilder schuf. Die Sternenkuppel für den Auftritt der Königin der Nacht (Titelbild des Beitrags) wurde zum Sinnbild der Oper.
Le nozze di Figaro (Die Hochzeit des Figaro) von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) und Lorenzo Da Ponte nach der Komödie La folle journée ou le mariage de Figaro von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais
Auch an zweiter Stelle steht eine Mozart-Oper – nicht unangefochten, aber zu Recht. Wie sein Biograf Maynard Solomon ausführt, sei Mozart nach Ausweis der Da-Ponte-Opern und der Zauberflöte „eine jener seltenen Persönlichkeiten gewesen, die gekommen sind, um den Schlaf der Welt zu stören“. Solomon beschreibt Mozarts Universum als „ein Labyrinth aus Wegen ins Unbekannte und Unerwartete“. Überall gebe es Erschütterungen, Sprünge, Risse und Stellen, die nachgeben. „Zynismus und Ernüchterung dringen in seine Vorsätze ein und untergraben den glücklichen Ausgang.“
Nachdem Beaumarchais« Komödie in Paris enormen Erfolg hatte, wollte Emanuel Schikaneder das Stück mit seiner Truppe ebenfalls aufführen. Kaiser Joseph II. aber veranlasste die Zensur dazu einzugreifen. Das Stück als Vorlage für eine Oper zu verwenden, soll von Mozart selbst ausgegangen sein. Wie Solomon ausführt, hegte Mozart große Erwartungen für die Oper. Seine bis dahin ehrgeizigste Opera buffa sei es gewesen. Er habe mit ihr in Wettstreit treten wollen mit den großen Werken dieses Genres und gehofft, sie würde ihn in die erste Reihe der Komponisten italienischer Opern stellen. Solomon mutmaßt, er habe mit dem großen Erfolg von Giovanni Paisiellos Barbieri di Siviglia gewetteifert, die damals die populärste Oper in Wien gewesen sei.
Am 1. Mai 1786 fand an der Weiner Hofoper die Première statt. Mozart dirigierte die ersten beiden Aufführungen vom Cembalo aus. Über die Frage, ob die Oper ein Erfolg war, wurde viel diskutiert. Tatsächlich mussten so viele Nummern wiederholt werden, dass Joseph II. einen Erlass herausgab, dass künftig nur Solonummern wiederholt werden dürften. Doch habe es auch Zischen von den Rängen gegeben. Das Publikum habe nicht gewusst, wie es dran sei, vermerkte ein Kritiker. Offenbar gab es eine Gruppe, die sich gegen die Oper verschworen hatte, und so konnte sie sich nicht lange auf dem Spielplan halten. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein blieb ihr der große Publikumserfolg verwehrt, was auch mit den hohen musikalischen und szenischen Ansprüchen zusammenhing.
Carmen von Georges Bizet (1838–1875) sowie Henri Meilhac und Ludovic Halévy nach der Novelle von Prosper Mérimée
Der Uraufführung von Carmen am 3. März 1875 an der Opéra Comique in Paris war kein Erfolg beschieden. Das Werk blieb nur auf dem Spielplan, weil der Ruf der Unmoral Neugierige anzog. Ein Jahr nach Bizets Tod ging die Oper in deutscher Übersetzung an der Wiener Hofoper in Szene. Bizets Freund Ernest Guiraud hatte im Auftrag des Hofoperndirektors Franz Jauner die Dialoge nachkomponiert. Nach dieser Aufführung wurde die Oper ein Erfolg und trat ihren Siegeszug um die Welt an. 1883 war sie auch wieder in Paris zu sehen.
1966 stellte Herbert von Karajan bei den Salzburger Festspielen mit Grace Bumbry in der Titelpartie ein Operetten-Spanien auf die Bühne des Großen Festspielhauses, das auch im Fernsehen gezeigt wurde. 1983 brachte der Filmregisseur Carlos Saura den Tanzfilm Carmen heraus mit Laura del Sol in der Titelrolle und Antonio Gades als Choreograf Antonio. Der Film verwebte die Handlung die Opernhandlung mit den Geschehnissen im Tanzensemble, das sie aufführen möchte.
La traviata von Giuseppe Verdi (1813–1901) und Francesco Maria Piave nach dem Roman La dame aux camélias von Alexandre Dumas dem Jüngeren
Giuseppe Verdi las Alexandre Dumas« Roman La dame aux camélias bald nach dessen Erscheinen und war beeindruckt. 1852 sah er in Paris dann auch noch das Drama, das Dumas nach seinem Roman angefertigt hatte. Verdi erstellte musikalische Skizzen, entwarf das Szenario und gab es Francesco Maria Piave. Kaum hatte er seinen Troubadour vollendet, brachte er in einem Schaffensrausch La traviata zu Papier. Innerhalb von 45 Tagen war das Werk vollendet.
Bei der Uraufführung am 6. März 1853 im Teatro La Fenice in Venedig fiel die Oper durch. Die Sängerin Fanny Salvini-Donatelli als schwindsüchtige Violetta konnte das Publikum nicht überzeugen. Verdi sprach von einem „Fiasko“. Erst im zweiten Anlauf, ein Jahr später, am venezianischen Teatro San Benedetto glückte mit Maria Spezia der Erfolg. 1960 nahm Walter Felsenstein mit seiner Inszenierung und einer eigenen Übersetzung an der Komischen Oper eine sozialkritische Durchleuchtung vor.
La Bohème von Giacomo Puccini (1858–1924) mit Giuseppe Giacosa und Luigi Illica nach dem Roman Scènes de la vie de bohème von Henri Murger
Die Uraufführung von La Bohème am 1. Februar 1895 im Teatro Regio von Turin unter Arturo Toscanini war kein rauschender Erfolg. Auch eine weitere Inszenierung in Rom war nicht erfolgreich. Erst zwei Monate später in Palermo gelang der Durchbruch. Im deutschen Sprachraum gab es ebenfalls Anlaufschwierigkeiten. Nach der Wiener Erstaufführung 1897 wetterte der Kritiker Eduard Hanslick über die „harmonischen Scheußlichkeiten“.
Dann aber war der Erfolg nicht mehr aufzuhalten. 1963 inszenierte Franco Zeffirelli mit Herbert von Karajan am Pult die Oper, und diese Regiearbeit mit Mirella Freni als Mimi wurde in Mailand, Wien, München und Salzburg gezeigt und auch verfilmt.
Aida von Giuseppe Verdi (1813–1901) von Antonio Ghislanzoni nach einer Erzählung von Auguste Mariette
Aida enthält alles, was man von einer Großen Oper erwartet: prachtvolle Chorszenen, wundervolle Arien, lyrische Duette sowie ein exotisches Kolorit. Der Triumphakt mit den schmetternden Fanfaren und den 20-fach geteilten Chören gilt als Höhepunkt Großer Oper. Bereits vor seiner Uraufführung erregte das Werk Aufsehen, und der Triumph der Uraufführung am 24. Dezember 1871 am Opernhaus Kairo, das sich der Khedive Ismail Pascha hatte bauen lassen, verbreitete sich um die Welt. So wurde die Oper zeitweilig nicht nur Verdis erfolgsreichste, sondern auch die meistgespielte der Welt.
1953 verfilmte Clemente Fracassi die Oper Aida mit Sophia Loren als Aida, die von Renata Tebaldi gedoubelt wurde und Louis Maxwell als Radamès, dem Giuseppe Campora seine Gesangsstimme lieh. 1958 debütierte Leontyne Price unter Herbert von Karajan als Aida an der Wiener Staatsoper und fand in dem Werk ihre Glanzrolle. 1963 brachte Franco Zeffirelli Aida in der Ausstattung der Uraufführung mit Tänzern und Pferden auf die Bühne der Mailänder Scala. Auch in der Arena di Verona blieb Aida in den ersten 50 Jahren nach ihrer Uraufführung die meistgespielte Oper.
Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) und Lorenzo da Ponte nach dem Drama Don Giovanni Tenorio von Giuseppe Bertati
Bis zur letzten Minute arbeitete Wolfgang Amadeus Mozart an der Ouvertüre zu Don Giovanni. Die Kopisten wurden nur mit Mühe bis zur Vorstellung fertig, und das Orchester spielte vom Blatt. „Es sind zwar viele Noten unter die Pulte gefallen, aber die Ouvertüre ist doch recht gut von Statten gegangen“, meinte Mozart dazu. Auch da Ponte war da, um mit Mozart die letzte Feinarbeit an dem Werk zu leisten.
Bei der Uraufführung am 29. Oktober 1787 im Gräflich Nostitzschen Nationaltheater in Prag wurde Mozart enthusiastisch gefeiert. Don Giovanni wurde laut des Musikkritikers Franz Xaver Niemetscheks „die Lieblingsoper des bessern Publikums in Prag“.
Große Tenöre rissen sich um die Rolle. Eberhard Wächter, Dietrich Fischer-Dieskau, Hermann Prey, Theo Adam, Thomas Hampson – sie alle standen als Don Giovanni auf der Bühne. Francisco d’Andrade sang die Partie 1892 an der Hamburger Staatsoper unter Gustav Mahler. Bei den Salzburger Festspielen 2021 erregten der Regisseur Romeo Castellucci und der Dirigent Teodor Currentzis mit ihrem Don Giovanni erneut Aufsehen.
Tosca von Giacomo Puccini (1858–1924) sowie Luigi Illica und Giuseppe Giacosa nach dem Drama La Tosca von Victorien Sardou
Giacomo Puccini sah das Drama La Tosca von Victorien Sardou mit Sarah Bernhardt in der Titelrolle und wusste, dass er den Stoff veropern wollte. Allerdings waren noch andere Komponisten, darunter auch Verdi, daran interessiert. Mit Hilfe des Verlegers Giulio Ricordi gelang es Puccini, den Stoff für sich zu ergattern. Anschließend folgte noch ein Ringen mit Sardou um das Libretto.
Die Uraufführung am 14. Januar 1900 im Teatro Constanzi in Rom fand während einer unsicheren politischen Lage statt. Das Publikum war beunruhigt und verweigerte dem Musikdrama seine einhellige Zustimmung. Auch bei der deutschen Erstaufführung in Dresden las man von der „Missgeburt einer scheußlichen, krassen Schauergeschichte“. Doch das hielt den Erfolgszug von Tosca nicht auf. Maria Jeritza sang das Gebet „Vissi d’arte“ (Nur der Schönheit) erstmals bäuchlings liegend, was von Leonie Rysanek übernommen wurde.
Lohengrin von Richard Wagner (1813–1883)
Nachdem die Dresdner Oper Lohengrin aufgrund von Wagners revolutionärer, politischer Betätigung zurückgewiesen hatte und Wagner zu den Verbannten gehörte, die das Land verlassen mussten, blieb ihm nur Franz Liszt als Hoffnung. Und der Freund enttäuschte nicht. Er brachte Lohengrin am 28. August 1850 zur Feier von Goethes 101. Geburtstag zur Uraufführung. Wagner verfolgte im Exil in Luzern die Aufführung im Geiste mit. Die Oper war von Anfang an ein Riesenerfolg, und Wagner schrieb an Hector Berlioz, er sei bald der einzige in Deutschland, der sie nicht gesehen habe.
Kronprinz Ludwig soll die romantische Oper zu Tränen gerührt haben und damals bereits in ihm den Wunsch geweckt haben, mit Wagner in Verbindung zu treten. Seine Schwärmerei für den Schwanenritter löste in München eine Modewelle aus. Auch Kaiser Wilhelm II. und Adolf Hitler begeisterten sich für die Oper. 1958 setzte Wieland Wagner sie bei den Bayreuther Festspielen als Mysterienspiel mit Sandor Konya als Lohengrin und Leonie Rysanek als Elsa und einem bewegungslosen Chor in Szene.
Il barbiere di Siviglia von Gioachino Rossini (1792–1868) und Cesare Sterbini nach dem Lustspiel Le barbier de Séville von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais
Die Uraufführung von Gioachino Rossinis Il barbiere di Siviglia am 20. Februar 1816 am Teatro Argentina in Rom, die unter dem Titel Almaviva o sia L’inutile precauzione (Almaviva oder die unnütze Vorsicht) stattfand und von Rossini dirigiert wurde, missglückte. Alles ging schief. Dem Sänger des Almaviva riss während seines Ständchens eine Gitarrensaite. Der Sänger des Basilio stolperte, stürzte auf der Bühne und musste sich während der Verleumdungsarie das Blut vom Gesicht wischen. Und während des Finales kam eine Katze auf die Bühne. Zudem störten die Anhänger von Giovanni Paisiello, der 1782 den Stoff bereits veropert hatte, jede Nummer, obwohl Rossini bei dem alten Meister angefragt hatte und zur Uraufführung eine Erklärung herausgab, dass er keine Rivalität mit Paisiello wolle. Erst der zweite Abend, den Rossini nicht mehr dirigierte und an dem er zu Hause blieb, brachte den Erfolg. Und dieser Erfolg blieb dem Werk fortan treu.
1968 inszenierte Ruth Berghaus mit dem Bühnen- und Kostümbildner Achim Freyer Il barbiere di Siviglia an der Staatsoper Unter den Linden. Ihre Regiearbeit überlebte Generationen und brach alle Rekorde. Sie hat über 20 Jahre DDR-Geschichte und über 30 Jahre Deutsche Einheit hinter sich.